Hokuspokus,B

Familie Flöz oder Das Geheimnis der MaskenFamilie Flöz - Hokuspokus

 

Ein Gastspiel in der Komödie am Kurfürstendamm im Schillertheater, Berlin, 2022
Die Familie Flöz mit: Fabrian Baumgarten, Anna Kistel, Sarai O’Gara (auch Gesang), Benjamin Reber (auch Musik), Mats Süthoff, Michael Vogel
Regie und Masken: Hajo Schüler, Bühne Felix Nolze, Kostüme Mascha Schubert, Licht/Video Reinhard Hubert, Sound und Musik Vasko Damjanov, Zeichnungen Cosimo Miorelli

Es ist ein bißchen wie bei Thornton Wilder im letzten Weihnachtsmahl; eine Familiengeschichte von der Wiege bis zur Bahre. Sie beginnt im Paradies .Nach der entzückenden Hiflosigkeit von Adam und Eva, wie sie um Verständigung, um Laute, um einander ringen, während Vögel aus dem Off zwitschern und singen und die Welt um sie herum voller Wunder und seltsamer Wesen erscheint. Doch “Hokuspokus” heißt beileibe nicht Spiel und Spaß, sondern verkündet, aus dem Lateinischen “Hoc est enim coprus meum” übersetzt: Dies ist mein Leib” und zielt doch recht genau auf die österliche Leidenszeit Jesu. Paradies war gestern, Menschheit auf Erden ist heute, und jäh verändert sich die Szenerie, der Alltag des ersten Menschenpaares beginnt. Nun sind die sich selbst überlassen, Mann und Frau, beherrschen mittlerweile Sprache und Schrift, Fortpflanzung und Wohnungseinrichtung und müssen sich nach jahrtausende währender Entzauberung an das irdische Dasein gewöhnen. Und das ist nicht so einfach, wenn man jung und unerfahren ist, plötzlich vor hungrigen Babies steht und auch sonst so allerhand bewältigen muß.

Das ist beinahe zu banal, um zu überraschen; wären da nicht die wunderbaren Darsteller, Akrobaten der Bewegung, der Verwandlung, Künstler, die ihre absolut identischen Masken zu einer intensiven Persönlichkeit verzaubern, ihnen Leben und Herz! einhauchen und dermaßen gewinnend Freud und Leid, Sehnsucht und Mühsal, Erziehungsprobleme und pubertäre Kinder, eigene Altershürden und Krankheiten bis zum traigschen Tod sicht- und spürbar werden lassen. Das Spiel ist voller Hingabe und Lust am Ausreizen der amüsanten Szenen, zudem musikalisch feinsinnig von alten irischen Gesängen begleitet und vom Regisseur väterlich bühnenpräsent betreut und geführt. Ein bißchen erinnert er an unseren Bundespräsidenten, die Allüren jedenfalls sind wohl ähnlich – behutsam und gelassen, und er ist ja auch der Einzige ohne Maske, abgesehen von den drei Doppelbesetzungen: Schauspieler und Musiker/Sängerin.

Die Bühne ist ein Guckloch, die Wohnung besteht aus vielerei Türen, die dem Spiel Schwung und Tempo verleihen, einem Sofa zum Trösten und Fernsehen, einem Küchentisch zum Traurigsein und zwei Stühlen. Und hierauf und hier mittendrin spielt sich ein ganzes langes Familienleben ab bis zur Erschöpfung und dem Auseinanderdriften der Generationen. Das Menschsein zeigt sich hier ein bißchen sehr trist. Reduziert es sich wirklich auf Babystillen, rasch verstreichende KIndlichkeit und Teenieaufmüpfigkeit, die die Sanftmut der Mutter, die auch die Temperamentsstürme der Gezeiten und des Gatten stumm und liebevoll zu glätten versteht. Und so rauh, wie die Kinder sich entfernen und die beiden Alten alleine lassen, muss es auch nicht immer sein. 

Doch ist die Stimmung wohl zur Zeit durch Kriege und vierlerei Lieblosigkeit durch Pandemie-Maßnahmen in der Kunst und bei den Küsntlern getrübt worden. Wenn nicht die wunderbaren Masken-Schauspieler dies beheben könnten, wer sonst? Sie allein nämlich können zaubern, können Leben durchsichtig und wunderbar gestalten, ohne Worte, ohne üppige Kulisse, ohne jeden überflüssigen Aufwand, allein durch die Wirkung, die sich durch die Lebendigkeit der Körpersprache entfaltet, so dass diese unisono-Gesichter  fragen, lachen, schimpfen, weinen können und sich doch eigentlich überhaupt nicht verändern.

Unsichtbares wird auch sichtbar in der nächsten Gastvorstellung des Flöz Ensembles: demnächst in diesem Theater (am 5.u.6.Juli) mit einem neuen Stück “Dr. Nest”, das die Tiefen unseres Gehirns und die tiefsten Geheimnisse unserer Seele erforscht und die Zerbrechlichkeit des Lebens in gewohnt tragischer wie komischer Betrachung beleuchten wird. A.C.

 

 

 

 

 

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