La Clemenza di Tito (Titus), HB
Opera seria in zwei Akten und sieben Bildern von Wolfgang Amadeus Mozert, Text von Caterino Mazzolà nach Pietro Metastasio, Uraufführung 6.9.1791 in Prag
Theater am Goetheplatz, Bremen, 2024
Musikalische Leitung der Bremer Philharmonie Sasha Yankevych, Regie Marco Storman, Bühne Frauke Löffel, Kostüme Axel Aust, Dramaturgie Frederike Krüger, Chor Karl Bernewitz, Licht Norman Plathe-Narr, Chor und Statisterie des Theaters Bremen
mit: Oliver Sewell als Titus,, Sarah-Jane Brandon als Vitellia, Elisa Birkenheier als Servilia, Ulrike Mayer als Sesto, Adele Lorenzi als Annio, Hidenori Inoue als Publio
Das Märchen vom idealen Herrscher
In der kurzen Ouvertüre verkündet ein Triumpfmarsch eine neue Ära unter der Ägide des neuen Kaisers Tito, bevor Klarinetten und Bassethörner melancholisch die Führung übernehmen und in zarter leichter Tongebung nach der strengen Disziplin des ehemaligen Feldherrn nun eine Zeit der Güte und Gerechtigkeit ankündigen.
Ursprünglich hat Mozart das von Metastasio nach dem heroisiertem Vorbild des römischen Kaisers Tito (79-81 n.Chr.) verfasste, ebenso huldigende wie wegweisende Libretto als Krönungsoper für Leopold II. als modernen Regenten vorgesehen,. In einem kühl-eleganten und durchsichtigen musikalischen Klassizismus mit groß angelegtem Stil wird die alte Gattung zu neuem Leben erweckt. In seiner letzten Opera seria werden in den Arien vor allem von Vitellia und Sesto sowie in den Ensembles die kurzen Melodiesegmente durch glatte, großangelegte Cantivili abgelöst. Transparenz der Tonführung und eine Leichtigkeit, die auch die späteren größeren Werke durchdringt wie etwa in der Zauberflöte und bei Don Giovanni treten oft sehr klar hervor, während die Kürzung der da Capo Arien eine erholsame Straffung in diese Oper zeigt.
Über der mit hölzernen Palastfragmenten dekorierten Drehbühne schwebt ein großes dunkles Tüllgebilde wie ein Leuchter, der sich in späteren Szenen verändern und anpassen wird, geben sich die einzelnen Personen ein heimliches Stelldichein, turteln die Verliebten, verschwören sich die Verräter zum Attentat und tritt souverän der Herrscher in Vorbereitung seiner künftigen moralischen und politischen Entscheidungen auf.
Die Handlung ist für die Oper seria noch typisch in ihrer Verwirrung, und die Inszenierung ändert nichts daran, zumal sie auch die männlichen Rollen für Soprane mit Frauenstimmen besetzt hat, bis auf den Kaiser und den energischen Präfekten Publio, der gar zu gern nach alter Ordnung über die Attentäter gerichtet hätte. ( Annio war ursprünglich als Kastratenstimme vorgesehen)). Und somit stehen im Zentrum des Ablaufs zwei Idealtypische Charaktere: ein junger, biegsamer und vielseitiger Tenor mit Oliver Sewell als Titus Vespasiano, der großartige Arien von Mozart erhält und sein einstiger Freund Sesto, der jetzt durch seine Liebe zu Vitellia und deren Zorn auf Titus zum Verräter geworden ist. Sesto, von Ulrike Meyer zunächst als überzeugter Aufständischer gegen die Willkür des Herrscher angesetzt und dann, als Titus in heftigem inneren Disput zwischen traditioneller Willkür und pragmatisch-humanistischen Entscheidungen steht, auch bei einem Freund, der ihm nach dem Leben trachtet, die Güte der Gnade zum Maßstab seines Handelns als Herrscher zu machen, offenbart Ulrike Mayer in herzreißender Selbstanklage in Mozarts schonungslosen Arien eine virtuose Strahlkraft. Zu spät erkennt er/sie, dass er einer großen Täuschung anheim fiel und einen großen, gütigen Herrscher töten wollte. Er stellt sich selbst der Rechtsprechung, ohne die Anstifterin, die geliebte, baldige Kaiserin zu verraten.
Bereits in der Wahl seine künftigen Frau hatte Titus Großzügigkeit gezeigt, indem er Servilias (Sestos Schwester) Liebe zu Annio akzeptierte und statt ihrer die Tochter des vor ihm regierenden Kaiser Vitellius erwählte und ordnete so – beinahe zu spät, denn sie hatte ja bereits das Attentat auf ihn angeführt – die dynastischen Querelen mit Vitellia. Ihr Dank und ihre Einsicht, vielleicht auch als Folge von Titus Großzügigkeit zu erklären, erlaubte es ihr, in letzter Minute die eigene Schuld am Attentat zuzugeben und damit Sesto freizusprechen. Eine gute Tat gebiert eine nächste, könnte man sagen, und so ist die kleine, aber bedeutende Kammeroper dem höfischen Bann des Barock entwichen und eine große Hommage an eine mögliche friedlichere Zukunft, die unter Leopold tatsächlich in vielen Bereichen Wirklichkeit werden sollte. Er wurde als “Salomon seines Jahrhunderts“ und als herrschender Philosoph bezeichnet. Er verbannte Galgen und Folter aus dem Strafgesetzbuch, baute Wasserleitungen für das Geld, das die Florentiner Adeligen für die Statue seiner Person verwenden wollten und beschenkte großzügig die Bewohner des zerstörten Pompeji.
Die Parallele zwischen Titus und Leopold; jeder herrschte nur zwei Jahre nach seiner Inthronisierung. A.C.
In Bremen wurde die Oper „Titus“ bereits im Jahre 1984 aufgeführt, unter der musikalischen Leitung von Ulrich Weder; Inszenierung und Regie lag bei Herbert Wernike. Ob sie damals auch den armen Tito zuguterletzt in solch ein albernes Reifrocktütü steckte, ist nicht überliefert.
Tollheit entspringt der Armut; Glückseligkeit führt zum heimlichen Zusammenspiel; Freiheit verlangt höfische Falschheit; Herrschergröße zeigt sich in der Bewältigung der Missgeschicke; ein falsches Antlitz verrät Verzweiflung, Verschlagenheit birgt Unheil
Der Name der Spieler: Hoffnung, Wiedergutmachung, Umsicht, Standhaftigkeit
Nach Magnifiance: ein Zwischenspiel von John Skelton, ca 1520