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Brechts Gespenster, B

Zunächst führt Suse Wächter, brillant als Schauspielerin und Toneinflüsterin, auch gesanglich spitzenmäßig, den alten Brecht mit Zigarre im Mundwinkel über sich selber plaudern, vor das Publikum. Das tat er meistens und am liebsten, sich seiner Genialität durchaus bewusst. Aber vielleicht gab es doch noch Größere als Ihn? Denn nach und nach führt die Puppenspielerin, zuweilen auch mit Moritz Ilmer zusammen, die kleinen Größen der Historie ins Comeback und scheut sich nicht, Gott höchstpersönlich mit Marx in einen halbspaßigen Diskurs zu verwickeln, bei sich die beiden Wächter ihrer Glaubensgemeinschaften zuletzt sogar auf Russisch brüderlich umarmen und abschmatzen. Na, bei Gott ist eben alles denkbar. Ein irrwitziges Kaleidoskop von Geistern und Gespenstern aus alten Zeiten.

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Annette – ein Heldinnenepos,B

Diese Inszeneirung stellt uns das Leben einer ungewöhnlichen Frau, Ärztin, Widerstandskämpferin, Mutter und Geliebte, Idealistin, Kommunistin vor, die allen Schicksalsschlägen, allen Hindernissen und Enttäuschungen zum Trotz ihrem Idealen treubleibt. Auch als sie die Farce der kommunistischen Ideologie entlarvt hat, wird sie weiter für ihr eigenen Ideale, wie Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit, Bildung und Gesundheit der unterdrückten Bevölkerung Algeriens kämpfen. Annette zahlt den Preis für ihre Berufung, und sie erhält sehr spät in ihrem 92jährigen Leben auch einen Preis, nämlich den der Israelischen Vad Vashem für ihren Mut um die Rettung jüdischer Mädchen vor den Nazis. Für ihren Kampf gegen die eigene Nation, in dem sie als Kurierin und Spionin für die Algerier ihr Leben riskiert, erhält sie eine 10jährige Haftstrafe und eine spätere Begnadigung, allerdings erst als Frankreich Algerien als eigene Nation anerkennt. Die drei Schauspielerinnen können die Entwicklung der Annette von der sehr jungen naiven und von Gerechtigkeitssinn angetriebenen Studentin, sowie der späteren, sehr bewußt aktiven kommunistischen Partisanin bis zu der erfahrenen und dennoch an ihren Idealen festhaltenden Frau als einer starken Persönlichkeit auch mit berührenden Momenten eine vitale Präsenz verleihen. A.C.

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Antigone/Schwester von…- OL

Die dominierende Farbe auf der Bühne ist grau-schattiert, die Männer und Frauen in ihren bleichen antiken Gewändern – , schwarz gesäumt wie auch Hände und Finger in schwarze Farbe getaucht sind – gleichen zunächst steinernen Statuen bis sie in kriechend und rollend, sich verrenkend ihre Emotionen als Volk von Theben nicht mehr als kommentierender Chor, sondern in einer sprachlosen, aufwühlenden Choreographie als Menge ihre Meinung kundtun. Musikalisch einfühlend begleitet.
Auf mehreren abgestuften Ebenen, zwischen schwarzen verschiebbaren Stellwänden, die imaginäre Wohnöffnungen andeuten, spielt sich die große Tragödie um tyrannische Herrschaft contra Hingabe an die alte Götterordnung unter den Bewohnern des Herrscherhauses ab, das einst zufrieden unter König Ödipus leben konnte…

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Der Impresario, OL

Die Insznierung enthält alles erdenklich Absurde, gewürzt mit guten Bonmots und passender Kritik,, die die Theaterbürokratie treffen, in der trockene Juristendiktion gegen Bühnenfreiheit und Lebendigkeit steht. Und doch ist es heutzutage schon sehr viel besser um die Freiheit der Künstler bestellt, wenn auch die Frauen noch immer um ihre Anerkennung und weibliche Würde kämpfen. Doch auch das Theater selbst kämpft um seine ureigenste Intentiion: als Überbau der Wirklichkeit das Phantastische, die Utopie vorzuführen, das, was sein könnte, aber nie sein wird, weil die Fiktion nur auf der Bühne Realität sein darf, sonst ginge beides verloren, und das Theater würde seine Wirkung und Faszination verlieren. Ein schöner Einwurf zur Poesie und Philosphie des Theaters und der Kunst schlechthin, die der Theatergott allen ans Herz legt.

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Die Liebe zu den drei Orangen, HB

Das Goethetheater hat eine phantasievolle, ebenso skurrile wie nachdenkliche Inszenierung auf die bunte Bühne mit beweglichen Sitzelementen gezaubert, mit, auf und zwischen denen die Sängerinnen und Sänger herumturnen und allerlei Kapriolen vollführen, von einem hervorragenden Orchester auf die Note genau geführt und in allen Nuancen und gefahrvollen Situationen im Wechsel der Stimmungen und Emotionen kongruent begleitet. Ein Ohren- und Augenspektakulum!

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Vor Sonnenaufgang, B

Was der österreichische Autor Palmershofer dem Bremer Ensemble mit diesem schlesischen Sozialdrama anbietet, ist auch nicht gerade originell. Denn der alte Plot bleibt: ein neureicher Unternehmer, diesmal in der KFZ Branche, trifft mit seinem alten Studienfreund zusammen, und es tun sich eigentlich nicht ganz ungewöhnliche normale Divergenzen in ihrer Weltanschauung und Entwicklung auf: die beiden Studenten von einst haben sich in ihren Idealen und Lebensumständen sehr weit voneinander entfernt und können nicht wieder zusammenfinden; ansatzweise kämpfen beide um ihre Weltsicht und Existenz: Der Mensch ist, was er ist oder: er ist das, was er aus sich macht bzw. die Umwelt aus ihm macht. Aber ihre Anschauungen driften immer weiter auseinander.

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