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Das Dinner, B

Die Inszenierung leidet unter anderem darunter, dass der Regisseur und sein Team den Autor moralisch und sozialkritisch politisch korrekt überholen möchten. Damit wird der dumpfe Sarkasmus des Misanthropen Paul Neumann durch den Charme von Ulrich Matthes ins Komische verwandelt, das Publikum lacht, wo es eigentlich eiskalt erschaudern müsste. Denn Matthes ist alles andere als ein gefährlicher Psychopath, der die Menschen allgemein und seinen Bruder ganz besonders hasst und damit den kriminellen Bodensatz in der Entwicklung seines Sohnes und die krankhafte Zuneigung seiner Frau verantwortet. Stattseiner wird hier wird Claire alias Maren Eggert so lange schweigend und beschwichtigend eingesetzt, dass man ihr den letzten großen Ausbruch eigentlich gar nicht glauben möchte. Die Abgebrühtheit, wie sie hier den Schlussstrich setzt, überrascht und überrumpelt die Absicht des Autors, der den Spannungsbogen eigentlich auf permanent vibrierenden Saiten in der Romanvorlage eigentlich anders führt. Ein perfides Spiel um Schein-Glück, verdrängten Hass und Verwöhnung, Verschweigen und Negieren der Wirklichkeit, um die Wahrung des Scheins – einer guten Ehe, einer intakten Familie, einer poltischen Karriere. Ein psycholoigisches Puzzle, das einen traurigen Ausgang hat.

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Lehman Brothers, B

Drei urige, ehrgeizige, selbstbewußte jüdische Einwanderer aus Österreich zu Beginn des 19.Jahrhunderts, die sich der rauhen Art der Baumwollfarmer in Alabama schnell anpassen und deren Berdürfnisse als gewiefte Händler schnell zu Eigen und zu Geld machen. Die Bühnendekoration ist sparsam, aber effektvoll mit Hilfe von Videos, Licht- und Lärmeffekten, die der jeweiligen hisorischen Situation angepaßt werden. Das temperamentvolle Spiel der großartigen Schauspieler, die in allerlei Rollen schlüpfen und die dynastischen Bewegungen und Veränderungen über Jahrhunderte hinweg charismatisch ausfeilen. Ein großes Spiel auf kleinem physischen, aber unendlich weitem geografischen Feld, in dem Generationen Geld und Geld und Geld machen und schließlich an der Überfülle ihrer Investitionen ersticken und die halbe Welt mitnehmen. Es ist unsere Zeitgeschichte. Sehenswert!

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Die Vögel, OL

Die Geschichte von zwei Männern, die sich in das Reich der Vögel hineinversetzen, um von den Sorgen der Erde erlöst, eine neue Freiheit im Reich der Vögel zu erleben und dann an ihren Machtgelüsten scheitern, das schrieb der griechische Komödiendichter Aristophanes vor zweieinhalbtausend Jahren angesichts einer den Staat in seinen Grundfesten bedrohenden politschen Überheblichkeit – dem Volk zur Warnung. Walter Braunfels, der seine Zeit nicht minder sorgenvoll betrachtete, konnte die klassische Vorlage aber erst nach dem 1. Weltkrieg bearbeiten und in eine symbolische Parallelwelt versetzen, die uns nun mit einer phantasievollen Inszenierung des Oldenburgischen Staatstheaters in einer romantisch-besinnlichen Version nach über 100 Jahren mit beängstigender Aktualität erneut mit diesem Problem konfrontiert.

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Rigoletto, B

Ganz große Stimmen sind in dieser Aufführung zu Gast an der Deutschen Oper, die nicht mit allen Inszenierungen dieses Glück hat, aber wohlweislich den großartigen Regisseur Jan Bosse engagiert hat, der die Charaktere dieser Oper im Sinne Verdis formt, sicher näher am Herzen des Komponisten orientiert als am Zeitgeist, der für Rigoletto die Schwarzweißzeichnung bevorzugte – nicht grundlos, denn vor 200 Jahren und noch länger herrschten nicht nur an den italienischen Adelshöfen Willkür, Verschwendungs- und Vergnügungssucht auf Kosten der Untertanen. Ein Fest wird anschaulich mit allerlei goldenen Konfettischlangen und gleißendem Licht bis ins Publikum hinein zelebriert. Verdi war immer politischer und sozialer als man ihm anhören könnte. Dennoch, seine Orchestrierung, die Führung der Instrumente, die begleitende Sicherheit und Intensität verzaubern eine Aufführung von einmaliger Schönheit und Ausdrucksstärke.

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Neujahrskonzert, OL

Es gab in den drei wunderbaren Aufführungen wohl keinen Gast, der nicht beschwingt und erfüllt von – l`arte della canzone più bella” – der klangschönen vollen Stimmführung von Stephanie Hershaw und Aksel Daveyans temperamentvollen Spielbariton – sowie natürlich einem Orchester, das sich einfühlsam und leicht, voller Schwung und, wenn erforderlich, auch in tiefsinniger Theatralik unter Vito Christofaro präsentierte, nach drei Stunden den Heimweg antrat. Durch das Programm führte charmant und geistreich der Hausherr: Intendant Georg Heckel.

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Xerxes, OL

Die gespaltene Persönlichkeit dieses Königs, der das Großpersische Reich regierte, hat Händel als Idee, als Vorlage nach berühmten Anekdoten und historischen Überlieferungen aufgegriffen und in einer absurden, teils satirischen, teils auch durchaus ernsthaften Version in wunderbarer Leichtigkeit komponiert und talentierten Sängern (seinerzeit vor allem dem Kastraten Gaetano Majorano, genannt Caffarelli) auf den Leib oder besser in die Kehle geschrieben. Ein Solitär, dessen Glanz aber erst sehr viel später gewürdigt wurde. In seiner Uraufführung erschien die Oper dem Publikum noch zu ungewöhnlich, dass man Ernstes mit Heiterem vermengte und sich spottend über Herrscher, Liebende und ihre Leidenschaften erhob.
Heutzutage ist es die beste Möglichkeit, eine große Musik in Ihrer Vielfalt auf hohem musikalischen und schauspielerischen Niveau zugänglich zu machen. Und das ist hier einmal wieder bestens geglückt! Mit vibrierenden, melodischen Rezitativen, mit höchsten Tönen effektvoll spielenden Arien und -immerhin- zwei männlichen Sängern serviert ein kleines, feines Barockorchester mit Blockflöten und Theorbe unter der Leitung von Thomas Bönisch – immer eins mit Spiel und Stimmen auf der Bühne und dynamisch ausgefeilt – einen Opernabend auf dem Silbertablett.

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