Oreste, HB
Das seltsame Sommerhaus gleicht einer Insel, auf der ein ebenso ängstlicher wie grausamer König Thoas jeden Fremden von seiner ersten Priesterin köpfen läßt, in der Furcht, es könnte der flüchtige Muttermörder Orest sein, von dessen Hand er sterben würde. Nach klassischer Art behält das Orakel immer Recht, gerade dann und weil man sich ihm entgegenstellt.Und so wütet Thoas vergebend gegen die neuen Eindringlinge, droht wie ein Riese über großflimmernde Videos massiv und mit düsterem Blick aus schwarz umränderten Augen, und als er erfährt, dass seine Priesterin ausgerechnet Orest’ Schwester Iphigenie ist und die anderen Fremdlinge ebenfalls gute Freunde, kennt er schon gar kein Pardon mehr. Dass jede Figur wie auf dem Schachbrett hin- und hergeschoben,vom Schicksal herausgefordert und von den Erynnien gnadenlos heimgesucht wird, wird in jeder Note offenbar. Und so wie sie alle ihre Pein und ihre Liebe, ihre Hilflosigkeit und ihre Hoffnung in unglaubliche tonmalerische Vielfalt kleiden, wird jede Wiederholung der schmuckvoll sich windenden Arien zu einer neuen Offenbarung. Ein schlüssiges Gesamtkunstwerk zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Eine bessere, von den Flüchen der Götter befreite Welt, bahnt sich hier allerdings noch nicht an. Denn noch immer ist der Mensch das Werkzeug der Vorhersehung.