Category Archives: Klassik/ Moderne

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Nora, Gorki,B

Wer ist diese Nora, was will sie wirklich? Sicher, getreu Ibsens Vorlage, verlässt sie ihren Mann, als sie dessen Eigenliebe und Unnachgiebigkeit erfährt – und Peter Kurth wird zum wahren Wüterich, zum Berserker, der, einem Herzinfarkt nahe, so entsetzlich ausrastet, dass seine Reaktion als psychopathisch zu bezeichnen wäre. Und dann – jäh der Umschwung, als er den Schuldschein in der Hand hält, und er seine Frau wieder in die Arme nehmen möchte. Vergeben und vergessen das strafbare Delikt der Urkundenfälschung, alles ist gut, denn: Stellung und Reputation sind gesichert, die Familie, sein Name vor allem, ist wieder rein gewaschen. Dieser Torvald Helmer ist kein kühl kalkulierender Geschäftsmann, der den strikten gesellschaftlichen Regeln der alten Bourgeoisie verhaftet ist, sondern ein emotionaler Mensch, der sich seiner Rolle nicht wirklich sicher ist und Halt in strikten Regeln sucht. Hilke Altefrohne spielt eine unsichere Nora und Peter Kurth einen unkontrollierten Wüterich.

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Nora, Vaganten,B

von Henrik Ibsen Vaganten Bühne,Berlin Regie und Bearbeitung: Folke Braband Kostüme: Stephan Dietrich, mit Esther Linkenbach, Konstanze Proebster, Fritz Bleuler, Romana Fuhrmann, Otto Strecker Das Schicksal der Unmündigkeit Während die “Nora” Inszenierung an der Schaubühne am Lehniner Platz unter allen Theaterexperten Furore machte und man hingerissen war wegen eines Aquarium, in das der unliebsame und selbstzufriedene Ehegatte am Ende dümmlich hineinplumpst, spielte sich eine kleine, aber sehr viel feinere Nora-Inszenierung in die Herzen ihrer Zuschauer: An der Vaganten Bühne zeichnen

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Nora, OL

Nora, immer wieder Nora – aber warum? Eine Frau, die aus ihrer Rolle als hübsches, anschmiegsames Frauchen ausbricht und erwachsen wird. Emanzipiert ist sie deshalb vielleicht noch nicht. Aber indem sie ihren ehrgeizigen, zwanghaft moralinsauren und unbarmherzig gesetzestreuen Mann verläßt, rettet sie ihre Würde als Mensch und als Frau. Ihre Kinder wird sie zurücklassen, vielleicht nur vorübergehend. Aber sie hat durch eigene und fremde Lebenslügen erkannt, dass Abhängigkeit durch Angst und Unfreiheit entsteht, und dass ihr Schicksal von ihr selbst bestimmt werden kann. Psychologisch durchleuchtete Charaktere machen Ibsens Drama als klassische Verstrickung menschlicher Unzulänglichkeiten transparent. In der kargen Oldenburger Inszenierung dominiert eine hohe Wand, die ebenso schwer zu bewegen ist, wie die festen Grundsätze der Menschen, von denen jeder nur an sich selber denkt.

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Clavigo, B

Goethes “Clavigo” am Deutschen Theater mit gendervertauschten Rollen, einem wilden weiblichen Claivgo, einem laschen Geliebten Marie, einem zürnenden Bruder, einerm stummen Nebenbuhler und einem machiavellistischen Dichterfreund – alles bizarr und bunt und grotesk, doch der zündetende Funke fehlt – nicht nur für den platt am Boden liegenden Fesselballon, sondern auch für die Inszenierung. Goethes Werther-Depression findet keine Antwort.

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Die Akte Carmen, B

Die Ouvertüre kündigt an, was hernach geschehen wird: warme Saxophonklänge, zärtliche Geigen, jubilierende Klarinetten wechseln mit den wilden Schlägen und den beatartigen Rhythmen der künftigen Entwicklung, während vorne auf der schmalen Bühne das auf Kammerformat glücklich zu geschnittene Operndrama seinen Anfang nimmt: Grobe Polizisten und Soldaten traktieren die schüchterne Michaela, die ihrem Jugendfreund José die innigsten Grüße der Heimat überbringen möchte. Dann tänzeln einige der Fabrikarbeiterinnen auf die Bühne, um die Pause zu einem kleinen Flirt mit den Männern zu nutzen. In die gewohnte Tändelei hinein bahnt sich eine wundersame, faszinierend dunkel getönte Stimme ihre Vormachtsstellung; Carmen, die unbeherrschte Anführerin des schweren Auseinandersetzung zwischen den Mädchen, fängt José, den Neuling der Wachmannschaft, im Feuerflug ihrer funkensprühenden Verheißung ein. Michaela ziehtnach einem zunächst hoffnungsvoll übereinstimmenden Duett unverrichteter Dinge wieder ab. Das fesselnde Spiel um Liebe und Freiheit hat begonnen.

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Oreste, HB

Das seltsame Sommerhaus gleicht einer Insel, auf der ein ebenso ängstlicher wie grausamer König Thoas jeden Fremden von seiner ersten Priesterin köpfen läßt, in der Furcht, es könnte der flüchtige Muttermörder Orest sein, von dessen Hand er sterben würde. Nach klassischer Art behält das Orakel immer Recht, gerade dann und weil man sich ihm entgegenstellt.Und so wütet Thoas vergebend gegen die neuen Eindringlinge, droht wie ein Riese über großflimmernde Videos massiv und mit düsterem Blick aus schwarz umränderten Augen, und als er erfährt, dass seine Priesterin ausgerechnet Orest’ Schwester Iphigenie ist und die anderen Fremdlinge ebenfalls gute Freunde, kennt er schon gar kein Pardon mehr. Dass jede Figur wie auf dem Schachbrett hin- und hergeschoben,vom Schicksal herausgefordert und von den Erynnien gnadenlos heimgesucht wird, wird in jeder Note offenbar. Und so wie sie alle ihre Pein und ihre Liebe, ihre Hilflosigkeit und ihre Hoffnung in unglaubliche tonmalerische Vielfalt kleiden, wird jede Wiederholung der schmuckvoll sich windenden Arien zu einer neuen Offenbarung. Ein schlüssiges Gesamtkunstwerk zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Eine bessere, von den Flüchen der Götter befreite Welt, bahnt sich hier allerdings noch nicht an. Denn noch immer ist der Mensch das Werkzeug der Vorhersehung.

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