Category Archives: Klassik/ Moderne

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Wallenstein, B

Das ist eine beeindruckende Inszenierung, die sich nach neun Jahren, als sich das Duo Stein-Brandauer mit dem 10stündigen Event in der Berliner Kindl-Halle 2007 ein fulminantes egozentriertes Denkmal setzte, nun mit überwiegend verständlicher Einkürzung einer neuen und doch dem klassischen Vorbild treugebliebenen Version messen kann! Als Feldherr Albrecht von Wallenstein besetzt hier Ingo Hülsmann die Bühne, der mit seiner charismatischen Identifikation des tragischen Feldherrn an die Spitze der großen Bühnenschauspieler gerückt ist. Ihm zur Seite, als schonungslose und erschütternde Umrahmung des blutigen und schrecklichen Abschlachtens in einem drei Jahrzehnte währenden Krieg, in dem es um Territorien, Gewinn und nebenbei auch um Religion ging: ein dröhnend schmerzvoll kreischendes Kanoneninferno, sowie das unheimliche, düstere, in Nebelschwaden und Schwärze getauchte Bühnenbild im Zwischenreich der zermürbenden Gedanken und der zu spät gefällten Entscheidung Wallensteins. In dem sprachgewaltigen Spiel um ewige Gier nach Reichtum, Macht und Aufstieg vereinen sich blinde Selbsterhöhung, Betrug, Lüge, Verrat mit hoher Politik. Entscheiden werden schließlich die aus astrologischer Wahrsagerei gezogenen mystischen Wunschvorstellungen Wallensteins, die eine realististische Wahrnehmung verhindern und den Untergang herbeiführen. Am Ende wird der Verräter Octasvio Piccolomini mit siegesgewissen Lächeln Wallensteins Platz auf dem Regiestuhl des Feldherrn einnehmen. Thalheimer entfaltet kräftige Charaktere in einem phantasievoll schmerzenden großen historischen und menschlichen Drama, das an Bedeutung niemals verlieren wird.

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Liliom, OL

Liliom ist Animateur und Schiffschaukelschleuderer auf dem Wiener Jahrmarkt und bitterlich vom Leben entäuscht. Diese Inszenierung ist alles andere als bunt und grell und über jegliche Rummelplatzatmosphäre erhaben. Stattdessen herrschen tiefste Depression, Elend, Ausweglosigkeit und Spracharmut. So kärglich wie ihr Wortschatz und die Empathie der Menschen für einander ist auch die Umsetzung des einst hoch gelobten sozialen Dramas. Und auch die Hölle bringt weder Liliom noch uns Erlösung von der prekären Pein.

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Nora oder ein Puppenheim, HB

Der Regisseur hat Ibsen beim Wort genommen und seine Akteure in ein Puppenhaus gestellt, umschlossen von einer hohen dichten Grünpflanzenmauer. Und so agieren sie auch: steif, von einer äußeren Macht geführt, in Rollen versetzt, denen sie nicht widersprechen können. Zaghafte Versuche, aus ihren Zwängen auszubrechen, sind zum Scheitern verurteilt. Allerdings kann der Textunkundige die menschliche und gesellschaftliche Tragödie, die sich hier abspielt, nur annähernd verstehen. Denn die Umsetzung eines hinreichend ausgeschöpften Themas der Weltliteratur in ein verwirrendes Rollenspiel programmierter Menschenpuppen beinhaltet ein comedyähnliche Sprechblasenstakkato, eine genderübergreifende Rollenverteilung und eine durchgehende Tiefkühlatmosphäre. Sie verzichtet weitgehend auf inhaltliche Fortschreibung.

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Nora, Gorki,B

Wer ist diese Nora, was will sie wirklich? Sicher, getreu Ibsens Vorlage, verlässt sie ihren Mann, als sie dessen Eigenliebe und Unnachgiebigkeit erfährt – und Peter Kurth wird zum wahren Wüterich, zum Berserker, der, einem Herzinfarkt nahe, so entsetzlich ausrastet, dass seine Reaktion als psychopathisch zu bezeichnen wäre. Und dann – jäh der Umschwung, als er den Schuldschein in der Hand hält, und er seine Frau wieder in die Arme nehmen möchte. Vergeben und vergessen das strafbare Delikt der Urkundenfälschung, alles ist gut, denn: Stellung und Reputation sind gesichert, die Familie, sein Name vor allem, ist wieder rein gewaschen. Dieser Torvald Helmer ist kein kühl kalkulierender Geschäftsmann, der den strikten gesellschaftlichen Regeln der alten Bourgeoisie verhaftet ist, sondern ein emotionaler Mensch, der sich seiner Rolle nicht wirklich sicher ist und Halt in strikten Regeln sucht. Hilke Altefrohne spielt eine unsichere Nora und Peter Kurth einen unkontrollierten Wüterich.

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Nora, Vaganten,B

von Henrik Ibsen Vaganten Bühne,Berlin Regie und Bearbeitung: Folke Braband Kostüme: Stephan Dietrich, mit Esther Linkenbach, Konstanze Proebster, Fritz Bleuler, Romana Fuhrmann, Otto Strecker Das Schicksal der Unmündigkeit Während die “Nora” Inszenierung an der Schaubühne am Lehniner Platz unter allen Theaterexperten Furore machte und man hingerissen war wegen eines Aquarium, in das der unliebsame und selbstzufriedene Ehegatte am Ende dümmlich hineinplumpst, spielte sich eine kleine, aber sehr viel feinere Nora-Inszenierung in die Herzen ihrer Zuschauer: An der Vaganten Bühne zeichnen

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Nora, OL

Nora, immer wieder Nora – aber warum? Eine Frau, die aus ihrer Rolle als hübsches, anschmiegsames Frauchen ausbricht und erwachsen wird. Emanzipiert ist sie deshalb vielleicht noch nicht. Aber indem sie ihren ehrgeizigen, zwanghaft moralinsauren und unbarmherzig gesetzestreuen Mann verläßt, rettet sie ihre Würde als Mensch und als Frau. Ihre Kinder wird sie zurücklassen, vielleicht nur vorübergehend. Aber sie hat durch eigene und fremde Lebenslügen erkannt, dass Abhängigkeit durch Angst und Unfreiheit entsteht, und dass ihr Schicksal von ihr selbst bestimmt werden kann. Psychologisch durchleuchtete Charaktere machen Ibsens Drama als klassische Verstrickung menschlicher Unzulänglichkeiten transparent. In der kargen Oldenburger Inszenierung dominiert eine hohe Wand, die ebenso schwer zu bewegen ist, wie die festen Grundsätze der Menschen, von denen jeder nur an sich selber denkt.

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