Category Archives: Regietheater

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VAN GOGH, B

Vom pfarrelterlichen Haus geprägt, versuchte es Vincent zunächst in mehreren Berufen, auch als Prediger bis er schließlich begriff, dass er nur zu einem taugte: als Maler. Dieser Berufung, dieser Leidenschaft würde er alles unterordnen, allen Anforderungen eines normalen Lebens opfern, um ganz und gar in ein Reich der Phantasie mit solcher Inbrunst und Ausschließlichkeit einzutreten, das ihn nie mehr freigeben würde und das zu teilen, außer Theo, kein Mensch fähig war. Otto Strecker gelingt es in einer intensiven, zunächst heftigen, dann zärtlich-behutsamen Vorstellung, die lebenslange Beziehung zwischen diesen Brüdern transparent zu machen, die Kunst des einen mit der verständnisvollen Liebe des anderen zu verbinden und den Zuschauer neugierig zu machen auf den umfangreichen Briefwechsel der Brüder van Gogh. Und auf die nächste Ausstellung, vielleicht sogar einen Besuch im van Gogh Museum in Amsterdam. A.C.

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Anita Augspurg, Verden

Aufrecht, würdevoll, gütig, leiderfahren – so steht sie vor uns, einem kleinen Publikum. Die Zuschauer, Frauen und Männer, warten im feinen Bibliotheksraum des Verdener Pferdemuseums auf Anita Augspurg, alias Birgit Scheibe. Eine junge Schauspielerin spielt eine alte, sehr alte Frau. Im Jahr 1943 ist diese Frau 80 Jahre alt; sie wird nicht mehr lange leben, sondern ruhig und gefasst ihrer vor fünf Monaten gestorbenen langjährigen Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann am 20. Dezember folgen. Ihre ersten Worte, ihr Lebensmotto, werden daran erinnern, dass die Würde des Menschen etwas sehr Zerbrechliches ist und dass es wichtig ist, nicht an der eigenen Ohnmacht zu verzweifeln! Sie hat für die Rechte der Frauen gekämpft, gearbeitet, geschrieben und auf den Bühnen der Politik gestanden.

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Nora oder ein Puppenheim, HB

Der Regisseur hat Ibsen beim Wort genommen und seine Akteure in ein Puppenhaus gestellt, umschlossen von einer hohen dichten Grünpflanzenmauer. Und so agieren sie auch: steif, von einer äußeren Macht geführt, in Rollen versetzt, denen sie nicht widersprechen können. Zaghafte Versuche, aus ihren Zwängen auszubrechen, sind zum Scheitern verurteilt. Allerdings kann der Textunkundige die menschliche und gesellschaftliche Tragödie, die sich hier abspielt, nur annähernd verstehen. Denn die Umsetzung eines hinreichend ausgeschöpften Themas der Weltliteratur in ein verwirrendes Rollenspiel programmierter Menschenpuppen beinhaltet ein comedyähnliche Sprechblasenstakkato, eine genderübergreifende Rollenverteilung und eine durchgehende Tiefkühlatmosphäre. Sie verzichtet weitgehend auf inhaltliche Fortschreibung.

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Das schwarze Wasser, B

Die Musik ist spannend, aber die Darsteller sollten mehr Ruhe erhalten, um den Ablauf der Handlung einfühlbar und einsichtiger zu machen. So spielen sie zugleich Berichterstatter und Akteure von gestern und heute, Jugendliche und Eltern und auch noch älter gewordene Freunde von einst. Das ist es ein bißchen viel auf einmal. Schöne Stimmen allein reichen nicht. Anerkennung aber für die schwierigen Gesangspartien. A.C.

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Supergute Tage, OL

Literatur als Darstellendes Spiel auf die Bühne gehoben – erhoben? In diesem superglücklichen Fall übertrifft die konturenreiche Inszenierung die literarische Vorlage nicht nur in der absoluten stimmigen Ausformung der Charaktere des Stückes, sondern auch in der Sichtbarmachung der schwierigen Beziehung der Menschen in der unmittelbaren Umgebung eines Jungen, der sich nicht in normale Verhaltensmuster einfügen kann und daher eine hohe Anforderung an ihr pädagogisches und psychologisches Einfühlungsvermögen stellt. In der Rolle des 15jährigen autistischen Christopher changiert in beeindruckender Intensität und mimischer wie körperlicher Ausdrucksvielfalt eine junge Schauspielerin: Franziska Werner. Unbedingt anschauen!

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Nostalgie 2175, HB

Das Szenario ist nicht neu: apokalyptische Visionen nach der totalen Klimakatastrophe flammen zu aktuellen Anlässen wie der jetzigen Klimakonferenz in Paris auf. Aber sie verdrängen unsere Ängste nur bis neue Kriege aufflammen, islamische Fundamentalisten ihre Terrorherrschaft erweitern oder verarmte Länder um Hilfe nachsuchen. Für Wissenschaftler und Schriftsteller aber ist die Zukunft längst Gegenwart geworden, das Orwellsche Bild “1984”, das den gläsernen Menschen vor Unfreiheit und permanenter Überwachung warnt, ist längst Realität, ohne dass wir uns sonderlich aufregten. (In einer Bühnenversion am Berliner Gripstheater amüsierten sich die Schüler bestens.)
Das Theaterstück von Anja HIlling ist in dieser HInsicht nichts Neues, nichts wirklich Bewegendes, es zeigt nurmehr eine kleine neue Variante, nachdem die Erde Feuer gefangen hat und die tödlichen Strahlen die letzten Menschen in luftdichte Wohngehäuse verbannt haben. Jegliche Berührung kann gefährlich sein, Emotionen sind in Reagenzgläser verbannt. Drei Schauspieler versuchen, diese aseptische Welt irgendwie darzustellen, aber über eine dramatische Sprachführung kommt es nicht zum Spiel. Was nicht darzustellen ist: ein durch ein Attentat für immer verstrahlter Mann darf eine Frau nicht berühren, ihrer beider Liebe körperlich nicht erfüllen. Die Verzweifelte vereint sich mit einem anderen Mann, der den Geliebten gewissermaßen stellvertretend zum Vater werden läßt. Aber eine natürliche Geburt ist tödlich in diesem von nunmehr weißhäutigen und rothaarigen albinotischen Menschen bewohnten Enklave. Es gibt kein Entrinnen aus dieser Situation, in der mit Hilfe von 4oo bewahrten Filmkassetten eine nicht mehr vorhandene Welt rekonstruiert werden soll. Das schöne, farbenreiche, glitzernde Leben einer fernen Vergangenheit soll auf Tapeten übertragen werden. Gruseligerweise werden die Farben auf die rückseitige, nicht geschädigte Haut verstrahlter Menschen eingestochen werden. Schlimmer geht es wohl nicht. Dennoch herzlicher Beifall für das teilweise doch gelungene Bemühen der Schauspieler, Endzeitstimmung zu vemitteln. A.C.

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