Category Archives: Regietheater

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Verführung, B

Wie stellt man sich einen Heiratsschwindler vor? Und dann einen, der nach sechs Jahren Haft wegen sieben Millionen erschlichener Euros nun wieder von zwei Frauen auf sehr unterschiedliche Art und Weise umgarnt wird. Soll er sich wehren, soll er vorsichtig um die Falle herumtapsen und wieder der Dumme sein? Ulrich Matthes weiss um die Gefahr, die zum einen von seiner angestrengt bemühten Therapeutin Tania ausgeht, mit der er seit sechs Jahren Katze und Maus spielt und seinen Joker (das Versteck) bisher nicht aus der Hand gegeben hat. Die will ihn festnageln, weiterhin an der Fußkette halten und als Fabrikarbeiter ins erzkatholische Fulda schicken. Ein studierter Mann, ein Sprachgenie und Sektenangehöriger, am Rande nur erwähnt, jedenfalls ziemlich ausgebufft. Das bleibt alles etwas undurchsichtig. Und beide wissen darum. Das Spiel ist noch nicht aus…

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Elternabend, B

Der junge Erzieher Dennis ist als neuer Leiter eines alternativen Kinderladens um die Anwendung guter psychologisch-pädagogischer Grundkenntnisse bemüht, scheitert aber schließlich zwangsläufig an seiner ungemein verletzbaren Außenseiterposition. Wahrlich keine liebenswerte Elterngruppe, die sich da selbst und einen armen Erzieher zerfleischt, aber sie zeichnet ein deutliches, wenn auch stark übertriebenes Bild der Blindheit, der Vorurteile und der Eigenliebe in unserer Gesellschaft. Autor und Ensemble lassen uns mit der naiven Vera nur eine vage Hoffnung auf ein besseres Morgen und Miteinander, sofern wir nicht lernen, unsere Kinder uneigennützig zu lieben und uns unseren eigenen Lebens- Erwartungen und Enttäuschungen aufrichtig zu stellen.

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Tagebuch eines Wahnsinnigen, B

Samuel Finzi ist der rechte Mann für dieses wunderbare Szenario einer Selbstreflexion, die eine ganze Epoche und eine Gesellschaft in all ihren Facetten spiegelt. Er ist der kleine, unbedeutende Bürolehrling, der buckelt und dienert und kuscht, die rechte Wange hinhält, nachdem die linke schon geschlagen wurde, Und er wird daran glaubhaft irrsinnig. Dass dies Drama fast immer zum Lachen ist, liegt natürlich am grandiosen Aufbau dieser Geschichte sowie an der tiefgründigen Dramatik, die Gogol seinen Stücken als erfahrener Theatermann verleiht. Aber es liegt natürlich auch an der Persönlichkeit eines Schauspielers, wie er diese Gesellschaft, die ja geradezu zum Wahnsinnigwerden auffordert, mit allen künstlerischen Fähigkeiten im Rampenlicht entblößt.

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Ödipus, B

von Maja Zade Regie Thomas Ostermeier Uraufführung Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin, 2023 Mit: Caroline Peters, Isabelle Redfern, Renato Schuch, Christian Tschirner, Bühne: Jan Pappelbaum, Kostüme: Angelika Götz, Musik: Sylvain Jacques, Video: Mathias Schellenberg, Thilo Schmidt, Dramaturgie: Maja Zade, Licht: Erich Schneider, Koproduktion mit dem Athens Epidauraus Festival Denn ungeheuer ist der Götter Wille Ein großer heller Raum mit einer modernen Küchenfront; Dahinter eine hübsche Frau am Saftmixer, daneben, davor, dahinter ein furioser Mensch, cholerisch schreiend, diskutierend: der Bruder der

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Radzivill oder der Riss durch die Zeit, OL

Es ist nicht nur ein Riss durch die Zeit, sondern auch durch die Inszenierung und zudem ein Parcourritt durch ein verwirrendes, erfindungsreiches und grausames Jahrhundert, in dessen Mittelpunkt der Maler Franz Radziwill steht; Seine großformatigen, düsteren Bilder zeugen von angstvollen Zukunftsahnungen, die einen Mann seiner Generation nach zwei Weltkriegen, der Zeit des Nationalsozialismus, der Entbehrungen und des globalen Elends der Welt geprägt haben. So wie das Oldenburger Theater mit diesem norddeutschen Patrioten und Malergenie des Oldenburger Landes in einer bildverdichteten und poltiisch eindeutig positionierten Inszenierung verfährt, wird eine Durchdringung auf zwei Ebenen versucht: einer persönlich – künstlerischen und einer philosophisch-politischen.

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Michael Kohlhaas, B

Ferdinand Grimm soll unter anderem einmal gesagt haben, dass “Schauspieler ein besonderes Talent benötigten, um ein Stück von Heinrich von Kleist zu spielen”. Was mag er damit gemeint haben? Ernsthaftigkeit, Courage, Persönlichkeit, Einfühlungsvermögen? Diese Eigenschaften jedenfalls zeigten die vier Schauspielerinnen in ihrer Kleist-Adpation des bis zur blinddwütigen Raserei um sein Recht kämpfenden Rosshändlers Michael Kohlhaas. Zwar fehlt den Vagenten bekanntlich die großflächige Bühne, aber in dem möglichen Format des Kammertheaters zwischen einem teils erzählten und gespielten Handlungsablauf können sie nicht nur den vielen Schülern, die ihre Stücke anschauen, ein gutes Beispiel dafür geben, wie man eine kunstvolle alte Sprache handhabt, sondern auch, wie sich Kleist’s Charaktere im Sprachspiel lebendig ausformen lassen.

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