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Das schlaue Füchslein, HB

Hommage an die Natur

Das scheint das Konzept der Regie zu sein, frei nach dem Komponisten und Autor dieser reizenden, gleichwohl tiefsinnigen Geschichte von menschlichen Gefühlen und tierischem Leben: Aus sparsamen Monologen entspinnen sich nicht nur eine, sondern viele Geschichten um die Schicksale aller Beteiligten. Und gespickt ist diese sich natürlich um Liebe, Leben und Tod rankende kleine Schauspieloper mit allerlei schrägen und bewegenden Momenten; schon der Auftakt inmitten der sinnlich-heiteren Ouvertüre: da schlingt sich in tollen Verrenkungen eine Artistin mit schwarzen Flügeln und grünem Trikot wie ein seltsam schillernder Vogel mit einem zum Seil gebundenen Tuch in die Höhe der Bühne. Erst am Schluss wird sie wieder auftreten – denn Anfang und Ende sind austauschbar; ihr Motto ist die Hingabe zur Natur, ihre einzigartigen Schönheiten und Fremdartigkeiten, ihre Verheißung des Immerwährenden und des stetigen Neuanfangs wahrzunehmen. Das grelle weiße Bühnenbild, einer Zirkusarena gleich, ist beweglich wie eine Rotunde und birgt unter sich den gemütlich bunten Dachsbau, aus dem das Füchslein den alten Knurrhahn verdrängt. Lieb ist hier eigentlich wirklich keiner so richtig… aber es macht Spaß, diesem verzwickten Treiben von Mensch und Tier zuzuhören , das nicht so sehr auf die Sprache, sondern vielmehr auf die hervorragende gesangliche und körperliche Beweglichkeit der Dasteller ausgerichtet ist.

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MIlchwald, HB

Eine kleine hanseatisch eingebürgerte Mannschaft, die ausgezogen ist, die abgewiesene Russin zurückzuholen, bewegt sich wahrscheinlich per Bus und zu Fuß oder auch mit der Bahn ins Grenzland Polesien, wo einst Hitlers Schergen herrschten, und damit ist auch der übliche Bezug zur Nazivergangenheit hergestellt. Eingebaut ist sogar ein alter Bunker aus Pappmasché, der nach und nach eingerissen wird, was eine ziemliche Schweinerei auf der Bühne hinterläßt. Die kleine Gruppe will also die Asylbewerberin Laila samt Kinderschar zurückholen und fällt dabei nicht nur einmal aus der Rolle und auf die Nase. Dann und wann bläst der weiße Bühnenebel über die Darsteller hinweg, die sich unter der Führung eines gewichtigen Bodybuilders in permanente Unannehmlichkeiten katapultieren. Aber solange mit Marx und Marcuse und Aristoteles – auch Antiogone und Medea dienen als Wegbegleiter – ermutigend argumentiert wird, ist wohl alles in Ordnung.

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Michael Kohlhaas, B

Ein Sammelsurium von Einfällen, aber keine dramatische Struktur – so ließe sich diese Inszenierung beschreiben, die mit technikverstärkter Deklamation das Schicksal des Pferdehändlers Michael Kohlhaas beschreibt, der um sein Recht und Wiedergutmachung kämpft, obwohl er eigentlich hätte wissen müssen, dass Recht und Gerechtigkeit im Sinn der absoluten Vorherrschaft des Adels und der abhängigen Justiz verhandelt werden. Die Geschichte kommt glühend und donnernd über die Bühne, wird mit allerlei Aus-und Anziehvariationen ausgeschmückt, aber wirkt im Ganzen eher, als ob hier zu viele Akteure ihre Vorstellungen eingebracht hätten, und man sich dann irgendwie auf einen mehr schlichten Darstellungsmodus geeinigt hätte. Doch Kleist ist, gerade weil sein Text so authentisch vorherrscht – immer eine Reflexion wert. Ideologische Verbissenheit und der Kampf um Gerechtigkeit sind Diskussionsstoff allemal.

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Die Laborantin, OL

Dieses Stück ist so aktuell, dass es beinahe schon Realität ist, s.FAZ Juli 2021: Da stellt der Autor Thomas Ludwig die Frage, ob “ein Sozialsystem nach chinesischem Vorbild auch in Deutschland denkbar sei?” Er bezieht sich dabei auf eine Studie des Bundesbildungsminsteriums, in der die Forscher das chinesische Modell als mögliche Zukunftsperspektive für Arbeit und Gesellschaft auch für Deutschland untersuchen: dabei geht es um ein Bonus-Modell, von dem der Zugang zu Ressourcen wie Arbeits-oder Studienplätzen abhängig sein wird.
Im Schauspiel geht es “nur” um rating, und es ist noch viel schlimmer, weil es bereits im fötalen Zustand die möglichen genetischen Qualifikationen offenlegt und nach einem Bewertungssystem den Menschen in seinen Zukunftchancen festlegt.

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Die Italienerin in Algier, HB

In ihren burlesken Harlekinkostümen tragen Sänger, Musiker, Chor, Bühne und kluge Regie zu diesem vergnüglichen Schau- Hör- und Singspiel bei und garantieren viel Spaß zur späten Stunde. Verrückt, turbulent und hochgradig musikalisch ausgefeilt sind diese atemlosen, unglaublichen Tempi, die man mit spontanem Beifall begleiten möchte. Musik pur, Liebe geballt, irre Lautmalereien, bei denen sogar von Da-Da-ismus die Rede war, leicht wie Champagner uind nachhaltig wie guter Champagner. Natürlich sollte man eben knapp wissen, dass es um Männer-Macho-Gehabe gegenüber Frauen und weibliche List und Übertrumpfung contra Mann geht, und wer letztlich Siegerin und Besiegter ist, wird nach der neuen deutchen Sprachregleung hiermit auch kundgetan.

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wagner – der ring des nibelungen, B

Worum geht es in dieser Zertrümmerung des nordischen Mythos “Die Nibelungen”, aus dem Richard Wagner mit seiner “Ring” -Tetralogie eine unglaubliche Botschaft schöpft? Es geht um Wahn und Wahnsinn, es geht um Schuld und Schulden, es geht um Marx und Adorno, und es geht um vor allem um die Entlarvung und Entblößung gesellschaftlicher Strukturen in der Menschheitsgschichte, vor allem in der deutschen Kunst und Politik. Um dem Chaos des zeitlosen Wahnsinns eine zeitgemäße Struktur zu geben, turnen und tanzen die Darsteller als Insassen einer Irrenanntalt in einem vergitterten Raum über riesige Tische und Stühle, über Spüle und Küchenherd und quellen dampfend aus der Herdtür ins Geschehen; grelle Fratzen und blutverschmierte Kostüme verstehen sich heutzutage von selbst, denn der Wahnsinn ist natürlich nicht freundlich und schön, sondern grausam verzerrt und abstrus; leider phonetisch auch oft unverständlich, bis auf die atonalen, zwischen Jazz, zeitgenössischen Klangvariationen und entfernen Anleihen an Wagners schwülstiger Romantik, die die oft dröhnend eingespielten musikalischen Bewußtseinserweiterterungen von einem Orchester mit zwölf Musikern, sogar von Barenboim dirigiert, begleiten lassen.

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