Das schwarze Wasser, B

Musiktheater von Vivan und Ketan Bhatti nach dem Schauspiel von Roland Schimmelpfennig
Fassung: Michael Höppner
Neuköllner Oper, Berlin
Uraufführung 21. Januar
Regie: Michael Höppner | Musikalische Leitung: Yonatan Cohen | Ausstattung: Judith Philipp | Dramaturgie: Bernhard Glocksin
Mit: Hrund Ósk Árnadóttir, Robert Elibay-Hartog, Marielou Jacquard, Magnús Hallur Jónsson, Katarina Morfa, Angelos Samartzis

Ein Sommernachtstraum mit Folgen

Deutsche und deutschtürkische Jugendliche treffen nachts in einem Freibad, in das sie eingestiegen sind, unerwartet aufeinander. Sterne stehen über dem Wasser, aus anfänglicher Fremdheit und Konkurrenz wird Faszination.
Gemeinsam durchstreifen sie ihre Stadt und feiern sich und das Leben. Grenzenlos. Unwirklich. Die ganze Zukunft noch vor sich. Alles scheint möglich in dieser Nacht… Aber das ist zwanzig Jahre her. Damals verliebten sich Frank und Leyla, wurden ein Paar und gingen doch getrennte Wege: Er, der deutsche Ministersohn, wird selbst Politiker, sie, die Tochter türkischer Einwanderer, bleibt an der Kasse im Supermarkt. Und jetzt, an einem nasskalten Novemberabend, kurz vor Franks Vereidigung zum Innenminister, treffen sich die beiden zufällig wieder und gehen auf einen Sprung in Leylas Wohnung. Anschließend erleidet Frank einen Zusammenbruch…
Vivan und Ketan Bhatti haben Schimmelpfennigs Stück über Sehnsucht und Scheitern von Träumen, Erwartungen und Lebenswegen in ein Musiktheater für sechs Sänger und Kammerensemble verwandelt, in eine facettenreiche, stimmungsvolle Komposition, die die unterschiedlichen Orte, Zeitsprünge und Situationen „hörbar“ macht. Durchpulst von Rhythmen populärer Musik, unter Verwendung verschiedenartiger musikalischer Formen vom oratorischen Chor und rezitativischen Passagen über den Song bis hin zur Arie sowie unter Einbeziehung von Ausdrucksmitteln der experimentellen Musik entsteht so ein episches Musiktheater, das den Jargon seiner großen Vorbilder (u. a. Kurt Weill) in unsere Gegenwart übersetzt.
Schimmelpfennigs Akteure erzählen von einer so berührenden wie traurigen (Liebes-)Geschichte. Sind mit Frank und Leyla stellvertretend wir alle, Deutsche und Zugewanderte, gemeint? Leben wir, nach all den Jahren, aller Anziehung und Unterschiedlichkeit eingedenk, noch immer in getrennten Welten? Und wäre die Diskussion einer solchen Frage vor dem Hintergrund des aktuellen Dramas der nach Berlin und Deutschland Geflüchteten nicht notwendiger denn je?
Regisseur Michael Höppner verlegt die Ermittlung der Vorfälle im Stück in die Redaktion einer deutschen Zeitung: sechs junge Journalistinnen, durchaus mit »Migrationshintergrund«, versuchen, die Fakten und Vorgänge zu ermitteln, die zum Zusammenbruch des jungen Starpolitikers Frank führten. Womit auch zu fragen ist: wie stark ist unsere Wahrnehmung des »Integrations-Themas« durch die Medien gelenkt? Und kann es sein, dass ein vermutlicher Skandal um einen designierten deutschen Minister wichtiger wird als die Themen von Chancen und Gleichheit?

Text: Dramaturgie Neuköllner Oper

Schöne Stimmen im spielerischen Spagat

Die Inszenierung hält leider nicht die Spannung, die der obige Text verspricht; zu hektisch wechseln die Darsteller Themen und Zeit, hopsen nicht nur unentwegt auf dem raumfüllenden Redaktionstisch und zwischen ihren Stühlen herum, sondern auch von der Vergangenheit in die Gegenwart und das bei schwierigen Texten und Aufmerksamkeit fordernden muskalisch rafiiniertem Arrangement. Die Übertexte auf Fernsehbildschirmen bringen dann und wann ein wenig Helligkeit in das sternennächtliche Durcheinander des Geschehens, und am Rande wechslen dann die Akteure auch noch in andere Rollen, um die häuslichen Divergenzen mit den verständnislosen Eltern aufzuzeigen. Die Musik ist spannend, aber die Darsteller sollten mehr Ruhe erhalten, um den Ablauf der Handlung einfühlbar und einsichtiger zu machen. So spielen sie zugleich Berichterstatter und Akteure von gestern und heute, Jugendliche und Eltern und auch noch älter gewordene Freunde von einst. Das ist es ein bißchen viel auf einmal. Schöne Stimmen allein reichen nicht. Anerkennung aber für die schwierigen Gesangspartien. A.C.

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