Lucia di Lammermoor, HB
Weil die Geschichte ja eigentlich bekannt ist, muss natürlich die Szenerie angereichert und ausgeschmückt werden, um den Sängern und dem Publikum neben dem Ohrenschaus auch eine neue Fassung zu bieten. Da dies ja bekanntlich nicht bei allen Inszenierungen glücken kann, ist es diesmal besondern erfrischend, die Vielfalt von Regiekunst und Dramaturgie, exakt ausgeleuchtetem Bühnenambiente und stimmiger Choreografie zu sehen. Und alles passt exakt: ein temperamentvolles Orchester begleitet unter dem Dirigat von Olaf Bomann stimmungsexakt Höhen und Tiefen der Liebenden und der Kontrahenten, läßt Lucia, die Lichtgestalt, von Harfe und Glasharmonioka bereits in hauchzarte, schon nicht mehr fassbare Gefilde des Wahns entfleuchen, treibt Birger Radde als den tyrannischen Lord Enrico in eine furchterregende martialische Exzesse, und läßt seine bleichgesichtigen Getreuen, den Priester Raimondo in der kurzbehosten und tätowierten Horror-Version von Christoph Heinrich tiefgrundig und doppelzüngig sein Spiel treiben wie den Berater Normanno im Kanzlerrock und Januskopf im treuergebenen Gefolge. Und so tricksen die drei von der Macht die arme Kleine mit Lügen über den fernen Verlobten hinterhältig aus und treiben sie in den Abgrund. Dass sie selbst durch Lucias Wahnsinnsmord an dem verhassten Gatten auch ins Verderben stürzen, ist eine befriedigende, dem Publikum gezollte Gerechtigkeitsvariante.