Category Archives: Ernst/ Heiter

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Die Dreigroschenoper, HB

Eine Mixtur aus Moritat, Comedy, Comedia dell` Arte, Polit-Satire, ein bißchen Kasperltheater a la Otto Walkes oder doch Opera Buffa – von allem eine gute Portion, viel Bewegung, hingebungsvolle Gesangspartien, teils zu schön, um Slumelend und Mordgesellen zu karikieren, dann aber doch wieder frech und friviol á la Brecht. nur eine singt und spielt wirklich so schrill als ob ihre Wut direkt aus der Gosse käme: Susanne Schrader als Xanthippe und Peachums bessere Hälfte; doch Pack schlägt sich Pack (v)erträgt sich, vor allem, wenn es um das Unschuldslamm Polly geht, die sich dem Mordsbuben Mackie an den Hals geworden hat, dem Oberschurken der Londoner Ganovenvereinigung und bestem Freund von Poiizeichef Tiger Brown, den Hans Baumann als zappeligen Hanswurst mit wirren Worten und abstruser Haartracht über die Bühne hoppeln läßt. Die ist wie am Themsedeich schräg konstruiert, von Fallstricken im Londoner Nebel festgehalten, also ziemlich heikel für all die skurrilen Gestalten, ob Bettler, Huren oder Mordgesellen – sie alle fallen, rutschen, schlagen sich mehr schlecht als recht durch die nächtliche Unterwelt.

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Der Menschenfeind,B

Alcestes Angebete ist schon eine flotte Biene, die Franziska Machens als Célimène körperbewußt spielt und damit dem spaßverblendeten Alceste zur Weißglut treibt; so daß sich dieser vergißt und statt schöner Worte seine Eifersucht auf die Schöne schleudert, indem er die Oberflächlichkeit ihres – und seines – gesellschaftlichen Umgangs bitterböse verdammt und ihre scheinbare Treulosigkeit aufs Schärfste brandmarkt. Was diese weder zur Einsicht noch zum Einhalten ihres vergnüglichen Flirtens anregt, sondern eher provoziert. Um sie herum turnen die Gecken Orionte, Acaste und Clitandre; ihr Leben ist mit Schmeicheleien, Partygeplauder, Klatsch und Tratsch völlig ausgelastet.

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Einszweiundzwanzig vor dem Ende, B

Soviel Vergnügen hat der ein Duell mit dem Tod selten gemacht, vielleicht bei Charlie Hübners Verfilmung von Thees Uhlmanns Bestseller “Sonja, der Tod und ich”, aber hier nun auf der Bühne von einem Franzosen, der auch schon mit “Der Vorname” und “Mama und Papa” einem breiten Publikum viel Freude bereitete, der über schnellen Wortwitz, das geniale Gefühl für dramatische Situationskomik verfügt und einen tollen Übersetzer, der das Wesentliche mit Verve und Witz genau trifft: nämlich die Begegnung mit dem Tod, der Bernard gar nicht so sehr überrascht, als dass er ihn eher als lästig und komisch und blöd und vor allem überflüssig findet, denn er will ihm doch noch gar nicht wirklich begegnen – oder warum ist er dann hier, kommt er doch nicht zufällig mal so eben vorbei, sondern um seinen Tribut zu fordern? Hervorragend gespielt und inszeniert!

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Flight, OL

Das Wetter wie auch die angepaßten persönlichen Divergenzen werden stilistisch mit Verve von dem vorzüglich agierenden Orchester kongruent mit Anleihen an Mozart, Rossini oder Verdis Fallstaff ebenso wie an den minimalistischen Philip Glass und lyrischen Benjamin Britten erinnernd verquickt, bestens erläuitert im ausgezeichneten Programmheft der Dramaturgen. Schräg und komisch, ohne Gefühlsduselei, doch mit einfühlsamer Sympathie für die Wirrungen des Lebens, gibt die Oper allen Protagonisten die Möglichkeit ihrer schauspielerischen und gesanglichen Individualität. Eine satirische Opernkomödie, allerdings “very britisch”, wie ein Kriitker sie charakterisierte.
Alles fliegt. Auch die Worte, die Buchstaben flattern einzeln auf die Leinwand, setzen sich zu Wörtern, Sätzen zusammen und flattern wieder fort ins Nichts. Einmal gesagt, und schon verflogen. Wie viel wird gesagt und nicht gesagt- was verschwiegen und was wäre besser ungesagt geblieben? Auch die Bilder, die auf die Leinwand gebannt werden und den Fortlauf auf dem Flughafen und am HImmel in schnellem Wechsel heranholen, sind fantastisch. Ein tolles Erlebnis – diese Inszenierung. Begeisterter Applaus in Oldenburg.

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Tagebuch eines Wahnsinnigen, B

Samuel Finzi ist der rechte Mann für dieses wunderbare Szenario einer Selbstreflexion, die eine ganze Epoche und eine Gesellschaft in all ihren Facetten spiegelt. Er ist der kleine, unbedeutende Bürolehrling, der buckelt und dienert und kuscht, die rechte Wange hinhält, nachdem die linke schon geschlagen wurde, Und er wird daran glaubhaft irrsinnig. Dass dies Drama fast immer zum Lachen ist, liegt natürlich am grandiosen Aufbau dieser Geschichte sowie an der tiefgründigen Dramatik, die Gogol seinen Stücken als erfahrener Theatermann verleiht. Aber es liegt natürlich auch an der Persönlichkeit eines Schauspielers, wie er diese Gesellschaft, die ja geradezu zum Wahnsinnigwerden auffordert, mit allen künstlerischen Fähigkeiten im Rampenlicht entblößt.

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Ein Oscar für Emily, B

Es wäre kein gutes Stück, wenn es nicht mit Spannung und Intensität und Tiefgang weiterginge. Und sich nach und nach das Lebensrätsel dieses seltsamen Paares enthüllte, auch ihre permanente Streitsucht, wenngleich in Bühnenrollen verpackt, offenbarte, was an ihrer Seele frißt. Und wie gut, dass dieser Jeff da ist und ihnen hilft, nach und nach wieder die Realität zu sehen. Bis zur Überreichung der großen Trophäe werden ihre Träume in eine Gegenwart angekommen sein, die für Emily und Henry nun zu einer ganz großen Kunst führt: der weisen Akzeptanz der ungeschminkten Wirklichkeit hinter der Fassade, die sie nun nicht mehr benötigen. Denn das reale Leben hat sie eingeholt und ihnen versöhnlich die Hand gereicht. Ein verdienter Oscar, nicht nur für Emily. A.C.

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