Category Archives: Neue Inszenierungen

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Liliom, OL

Liliom ist Animateur und Schiffschaukelschleuderer auf dem Wiener Jahrmarkt und bitterlich vom Leben entäuscht. Diese Inszenierung ist alles andere als bunt und grell und über jegliche Rummelplatzatmosphäre erhaben. Stattdessen herrschen tiefste Depression, Elend, Ausweglosigkeit und Spracharmut. So kärglich wie ihr Wortschatz und die Empathie der Menschen für einander ist auch die Umsetzung des einst hoch gelobten sozialen Dramas. Und auch die Hölle bringt weder Liliom noch uns Erlösung von der prekären Pein.

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Das schwarze Wasser, B

Die Musik ist spannend, aber die Darsteller sollten mehr Ruhe erhalten, um den Ablauf der Handlung einfühlbar und einsichtiger zu machen. So spielen sie zugleich Berichterstatter und Akteure von gestern und heute, Jugendliche und Eltern und auch noch älter gewordene Freunde von einst. Das ist es ein bißchen viel auf einmal. Schöne Stimmen allein reichen nicht. Anerkennung aber für die schwierigen Gesangspartien. A.C.

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Satyagraha, OL

Eine einfallsreich gestaltete Bühnenausstattung (angedeutete Wälder, Wände, Barrieren aus Bambusstangen) und eine kongruente Handlungschoreografie lassen die Inszenierung mit ihren philosophischen und religiösen Texten, die leider nicht immer glücklich übersetzt sind, nach und nach in die tieferen Dimensionen gleiten und das zuweilen alle Religionen verbindende Wertesystem der Bhagavad Gita transparent werden. Die nachhaltig wirkende “Minimal-Musik” des amerikanischen Komponisten, der dieses Werk erstmalig 1980 an der Oper Stuttgart aufführte, unterstreicht in tiefen, weiten dunklen Wellen mit an-und abschwellendem, nur scheinbar gleichtönig wirkendem Klang die Worte und Werte des golden glänzenden Prinzen Arjuna und des blauhäutigen Gottes Krishna, die als Maßstab für das richtige ethische Handeln eines vorbildlichen Herrschers gelten. Der hier spielerisch und musikalisch eindruckvoll in den Vordergrund gestellte Chor erscheint in den folgenden Bildern als graue Anzug- und Kostümgesellschaft, eben farb- und phantasielos, gnadenlos herrschend und hemmungslos konsumorientiert. Der Gewaltlosigkeit predigende und als Menschen-und Weltverbesserer ebenso verehrte wie gescheiterte Mahatma Gandhi steht hier noch als junger Anwalt fassungslos allen Ungerechtigkeiten der südafrikanischen Gesellschaft gegenüber.

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Nostalgie 2175, HB

Das Szenario ist nicht neu: apokalyptische Visionen nach der totalen Klimakatastrophe flammen zu aktuellen Anlässen wie der jetzigen Klimakonferenz in Paris auf. Aber sie verdrängen unsere Ängste nur bis neue Kriege aufflammen, islamische Fundamentalisten ihre Terrorherrschaft erweitern oder verarmte Länder um Hilfe nachsuchen. Für Wissenschaftler und Schriftsteller aber ist die Zukunft längst Gegenwart geworden, das Orwellsche Bild “1984”, das den gläsernen Menschen vor Unfreiheit und permanenter Überwachung warnt, ist längst Realität, ohne dass wir uns sonderlich aufregten. (In einer Bühnenversion am Berliner Gripstheater amüsierten sich die Schüler bestens.)
Das Theaterstück von Anja HIlling ist in dieser HInsicht nichts Neues, nichts wirklich Bewegendes, es zeigt nurmehr eine kleine neue Variante, nachdem die Erde Feuer gefangen hat und die tödlichen Strahlen die letzten Menschen in luftdichte Wohngehäuse verbannt haben. Jegliche Berührung kann gefährlich sein, Emotionen sind in Reagenzgläser verbannt. Drei Schauspieler versuchen, diese aseptische Welt irgendwie darzustellen, aber über eine dramatische Sprachführung kommt es nicht zum Spiel. Was nicht darzustellen ist: ein durch ein Attentat für immer verstrahlter Mann darf eine Frau nicht berühren, ihrer beider Liebe körperlich nicht erfüllen. Die Verzweifelte vereint sich mit einem anderen Mann, der den Geliebten gewissermaßen stellvertretend zum Vater werden läßt. Aber eine natürliche Geburt ist tödlich in diesem von nunmehr weißhäutigen und rothaarigen albinotischen Menschen bewohnten Enklave. Es gibt kein Entrinnen aus dieser Situation, in der mit Hilfe von 4oo bewahrten Filmkassetten eine nicht mehr vorhandene Welt rekonstruiert werden soll. Das schöne, farbenreiche, glitzernde Leben einer fernen Vergangenheit soll auf Tapeten übertragen werden. Gruseligerweise werden die Farben auf die rückseitige, nicht geschädigte Haut verstrahlter Menschen eingestochen werden. Schlimmer geht es wohl nicht. Dennoch herzlicher Beifall für das teilweise doch gelungene Bemühen der Schauspieler, Endzeitstimmung zu vemitteln. A.C.

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Clavigo, B

Goethes “Clavigo” am Deutschen Theater mit gendervertauschten Rollen, einem wilden weiblichen Claivgo, einem laschen Geliebten Marie, einem zürnenden Bruder, einerm stummen Nebenbuhler und einem machiavellistischen Dichterfreund – alles bizarr und bunt und grotesk, doch der zündetende Funke fehlt – nicht nur für den platt am Boden liegenden Fesselballon, sondern auch für die Inszenierung. Goethes Werther-Depression findet keine Antwort.

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Entartete Kunst, B

Warum ist Kunst so teuer, wer vermittelt An- und Verkäufe, was sind Schattenhändler, und welche Werte befinden sich tatsächlich im Besitz von staatlichen Galerien? Und last not least: warum gibt es noch immer kein Gesetz, das die Restitutionsansprüche der von den Nazis enteigneten Besitzer regelt? Fragen, die so nebenbei in dem geschickt aufgebauten kleinen Kabinettsstück von Ronald Harwood auftauchen und doch in dem Bilder-und Steuerstreit in den Jahren 2012 bis 2014 letztendlich von entschiedender Bedeutung waren, um die Rechtmäßigkeit des 1500 Werke umfasenden kostbaren Kunsterbes von Cornelius Gurlitt zu klären. Im Theater nun, auf der mit von den Nazis als entartete Kunst gebrandmarkten Bildern dekorierten Bühne, kämpft ein Mann um seinen Besitz, verteidigt die Rechtmäßigkeit seines Erbes gegen die unerbittliche Inqusition der Vertreter der Münchener Staatsanwaltschaft. Mit Udo Samel als sprachgewiefter, beinahe sokratisch argumentierender Gurlitt, der pfiffig und zotig, kindlich und trotzig, naiv und schlau zugleich gegen eine Welt und eine Wahrheit ankämpft, die er bisher mied wie die Pest. Sie diente ihm lediglich zum Ausflug in die Kabinette jener Schattenhändler, denen er und hin und wieder eines seiner Erbstücke über die Schweiz verkaufte. Wieder einmal zeigt das Renaissance Theater ein bezauberndes Spiel um ein ernstes Thema.

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