Category Archives: Oper/ Musiktheater

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Lazarus, HB

Ein Mann fällt aus dem Himmel auf die Erde. Ein Außerirdischer mit menschlichen Zügen und Eigenschaften, einem überwachen Verstand, doch ohne den Schutz der Erfahrung. Er befindet sich auf einem fremden Planeten, von dem er Wasser schöpfen soll zum Überleben des eigenen Planeten. Aber dieser Mann ist dem mitleidlosen Leben der irdischen Zivilisation nicht gewachsen. Er wird ein Opfer der Macht, deren Gipfel er dank seiner empathischen und telepathischen Einblicke zunächst für sich selbst entdeckt. Er hat Erfolg, wird reich, scheitert aber letztendlich an der mitleidlosen Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft. Er verliert alles bis er bitterarm und krank als psychischer Pflegefall im Abseits landet. Die Inszenierung trägt das schwierige Wechselspiel zwischen Wachsein und Wahn mit ruhigen lyrischen, poetischen Augenblicken, die den Mann an ein kurzes Liebesglück in der Vergangenheit erinnern, um dann wieder jäh mit grausamen Halluzinationen zu kämpfen, die der Kranke im Dilirium ertragen muss und der Zuschauer ebenfalls. Denn dieses Leben, das schon lange nicht mehr so bezeichnet werden kann, ist grausam,schmerzvoll, unerträglich, wie die harten Schläge der Beatband. Dass manche der poetischen Liedtexte dabei der musikalischen Unerbittlichkeit zum Opfer fallen, ist bedauerlich. Aber insgesamt ist dies eine anspruchsvolle, phantasievolle und ergreifende Inszenierung mit hoch engagierten Sängern, Tänzern und Schauspielern.

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Orpheus in der Unterwelt, OL

Man stelle sich vor: Da wird der zärtlich alle Herzen betörende Stargeiger Orpheus von seiner Ehefrau betrogen, und er selbst neigt seine Gunst auch eher einer kleinen Nymphe zu. Also handfester Ehekrach im Hause des großen klassischen Liebespaares. Offenbach stellt eine neue, freche, amüsant verquirrlte Version vor, die der Regisseur dieser Inszenierung auch noch nach comedy-Art mit allerlei Gags und Slapsticks fein zu würzen versteht. Und nicht nur das: er selbst übernimmt nun die Hauptrolle – eigentlich der Not gehorchend, weil die beiden “echten” Eurydikes an diesem Abend nicht auftreten können, und Elvira Hasanagic die Partie am Seitenpult zwar zauberhaft und leidenschaftlich singt, aber die schauspielerische Partie unmöglich in nur wenigen Stunden erarbeiten konnte. Also, was lag da auf der Hand als die scheinbar mit so leichter Hand komponierte tiegründige Satire auch kurios verquer mit einem männlichen Hauptdarsteller zu besetzen: mit Felix Schrödinger, der als Regisseur ja ohnehin alle Rollen genauestens einstudiert hat. Die Renaissance der Operette in bester Konsequenz.

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Wellcome To Hell, B

“Welcome To Hell” – unter diesemTitel demonstrierten im Jahr 2017 rund 12000 Menschen gegen den G20-Gipfel in Hamburg. Der massive Protest gegen Globalisierung, Kapiutalsmus und soziaale Misssätnde auf der Welt eskalierte durch dien brutalen Übergriffe einer Rockerbande und führte zu Straßenschlachten und Verwüstungen in der Hamburger Innenstadt. Peter Lund hat ein Musical für seine Abschlussklasse auf der Hamburger Demogrundlage inszeniert, und dabei eine stringente, turbulente, agressive Talentshow auf die Beine gestellt, die neben den beabsichtigten Schockelementen die ewigen Sehnsüchte und Wünsche junger Menschen nach Gerechtigkeit und Anerkennung sichtbar macht.
Damit positioniert sich die Neuköllner Oper stark gesellschaftspolitisch, wobei Wut und Frust junger Menschen aus vielerei Nationen und Traditionen in mancherlei sozialen und emotionalen Gegensätzlichkeiten hart aufeinanderprallen. Eine musikalisch mitreißende Auführung beachtenswerter Talente.

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Siroe, Re Di Persia, OL

Das barocke Lustspiel um Macht, Vater- und Frauenliebe, Familienehre und Selbstdarstellung ist mit einer amüsanten und zugleich nachdenklichen Inszenierung am Staatstheater einmal wieder zu einem großen Ereignis geworden. Farbenprächtig und sangesfreudig mit erwarteten und gewohnten stimmlich ausgeschmückten Höhenflügen und Capriolen, mit darstellerischem Pfiff und musikalischer Galanterie ist es in den rauhen Zeiten nach dem siebenjährigen Krieg im Sachsen August des Starken in neuer Überarbeitung des Komponisten erstmalig wieder aufgeführt worden – ein Spiegelbild nicht nur der höfischen Gesellschaft.

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Maria, Ol

Ursprünglich war es ein Kriminalfall, dann ein Versepos, dann eine Opernfassung mit einer klar gefassten Horrorgeschichte – dennoch ist ein romantisches Werk daraus geworden, zunächst bejubelt, dann vergessen, nun wieder ins Licht des Staatstheaters in Oldenburg gestellt. Unter der musikalischen Leitung von Hendrik Vestmann und der Regie von Andrea Schwalbach ist ein anderthalbstündiges Werk entstanden, das in der Verdichtung des Vater-Sohn-Konflikts, dem das Mädchen Maria -die große Liebe des jungen Waclaw- zum Opfer fällt, alle Höhen und Tiefen von Empathie und Emotio mit einer ungemein farbigen Orchestrierung und größtem sinfonischen Schwung packend auf die Bühne bringt . Innerhalb einer sparsam martialischen grauen Bühnenburg, dies für Romantik eigentlich keinen Raum in seiner ausweglosen Enge bietet, bringt diese Inszenierung alle Facetten einer unstandesgemäßen Liebe im tödlichen Griff der Macht zur Entfaltung – dank einer wie immer vorzüglich agierenden Chorgmeinschaft und einer harmonisch aufeinander ausgerichteten Stimmenführung .

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Lucia di Lammermoor, HB

Weil die Geschichte ja eigentlich bekannt ist, muss natürlich die Szenerie angereichert und ausgeschmückt werden, um den Sängern und dem Publikum neben dem Ohrenschaus auch eine neue Fassung zu bieten. Da dies ja bekanntlich nicht bei allen Inszenierungen glücken kann, ist es diesmal besondern erfrischend, die Vielfalt von Regiekunst und Dramaturgie, exakt ausgeleuchtetem Bühnenambiente und stimmiger Choreografie zu sehen. Und alles passt exakt: ein temperamentvolles Orchester begleitet unter dem Dirigat von Olaf Bomann stimmungsexakt Höhen und Tiefen der Liebenden und der Kontrahenten, läßt Lucia, die Lichtgestalt, von Harfe und Glasharmonioka bereits in hauchzarte, schon nicht mehr fassbare Gefilde des Wahns entfleuchen, treibt Birger Radde als den tyrannischen Lord Enrico in eine furchterregende martialische Exzesse, und läßt seine bleichgesichtigen Getreuen, den Priester Raimondo in der kurzbehosten und tätowierten Horror-Version von Christoph Heinrich tiefgrundig und doppelzüngig sein Spiel treiben wie den Berater Normanno im Kanzlerrock und Januskopf im treuergebenen Gefolge. Und so tricksen die drei von der Macht die arme Kleine mit Lügen über den fernen Verlobten hinterhältig aus und treiben sie in den Abgrund. Dass sie selbst durch Lucias Wahnsinnsmord an dem verhassten Gatten auch ins Verderben stürzen, ist eine befriedigende, dem Publikum gezollte Gerechtigkeitsvariante.

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