Category Archives: Regietheater

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Die Wodkagespräche, B

Das Künstlerkollektiv J.A.C.K. hat mit den Wodkagesprächen eine Nachbereitung des bisherigen Lebens zweier Schwestern als Abgesang auf den verstorbenen Vater in zwei Phasen inszeniert: einem schwarz-weiß gehaltenen Film, der die Beerdigungszermonie im Familienkreis zeigt und den Gang des alten Mannes in den bayrischen See als letzte Konsequenz eines Lebens, das ihm keinen Platz mehr in dieser für ihn wert- und haltlosen Gesellschaft gab. Den zweiten Teil als wodkaseliges und alkoholschweres Gespräch zweier Frauen, die ihre Lebensmuster verteidigen, hinterfragen und eventuell verändern, sofern sie es vermögen. Das ist ein lebendiges Kammerspiel mit zwei hinreißenden Schauspielerinnen, die ein schillerndes, psychologisch differenziert aufgebautes Puzzle mit vielen menschlichen Facetten zum Ganzen fügen. Herzlicher Beifall.

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Eurotrash, B

Ein langer herzlicher Schlussapplaus für ein eindrucksvolles Paar: Angela Winkel und Joachim Meyerhoff haben nach der autobiografischen Romanvorlage von Christian Kracht unter der Regie von Jan Fosse einen bemerkenswerten Abend gestaltet. Ohne die Bühnenpräsenz und schauspielerische Höchstleistung dieser beiden Protagonisten als Mutter und Sohn einer gebildeten bürgerlichen Familie mit übler Nazivergangenheit wäre das Erzähl-Drama wohl eher als langweilig, zumindest als langatmig zu beurteilen. Doch Angela Winkler als zarte, fast zerbrechliche alte Dame, zeigt nicht nur, welche Vitalität und Kraft sich in dieser vom Leben seelisch und körperlich geschundenen Frau verbirgt und welche mädchenhafte Lebendigkeit sie der Rolle der gebildeten und verrückten Mutter übertragen kann; ihre Stringenz, ihre Härte gegen sich selbst und den Sohn, den sie verzweifelt ob seiner und ihrer Schwachheit liebt, dies aber hinter Sarkasmus und zuweilen brutaler Offenheit mit energischer Führung verbirgt! Und Joachim Meyerholz als getriebener, sich nie anerkannt fühlender, dem eigenen Geschlecht nahestehender Christian, schaukelt trotz aller Emsigkeit hilf- und haltlos in dieser Welt, in der er letztlich ohnmächtig mitansehen muss, wie die Mutter immer wieder aus der Wirklichkeit in den Wahn flüchtet und sich mit Alkohol und Zigaretten und einer Wilde’schen Selbstironie den Lebensschmerz erträglich macht.

Ein großer Schauspielabend trotz schwacher Vorlage.

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Starker Wind,B

Wenn der Autor das gemeint hat, dass hier die jüngere Generation mit der Hinfälligkeit des Alters, das zuweilen anstrengend und aufreibend daherkommt, nicht konfrontiert werden und die traurige,eingeengte Lebenswirklichkeit des Alten nicht mehr wahrnehmen möchte, dann ist es ein böses, tragisches Stück. Denn wie traurig ist es, dass der Mann sich nurmehr an einen alten Kleiderschrank erinnert und an die wenigen Sachen, die er enthielt. Und dass er schließlich dem stürmischen Nordwind folgt, der durch das Fenster hereinbraust und ihn auffordert, sich hinauszulehnen…
Aber im Interview mit dem Dramaturgen, im Programmheft, enthält sich der Autor jedweder Interpretation. Es sei ein poetisches Gedicht nach Hölderlin und konstatierend: Theater sei die Kunst des Augenblicks, der sich nicht festhalten lasse und schon Vergangenheit sei, noch bevor er ende. Was wir fühlen, was wir denken, was wir sehen, sei wichtig und bestimme unser Sein. Die Protagonisten seien verloren im Dialog. Eigentlich ist es nur der Monolog eines Menschen, der die Orientierung in seinem Leben verloren hat. A.C.

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Die Briefe des van Gogh

Den dahinfließenden Strom wechselnder Gefühle und Spannungen greift die Musik in unprätentiöser Form auf. Um die Dramatik zu veranschaulichen, bedarf die Komposition keiner extremen Effekte, sondern versteht sich – mit romantischen Einschüben – als Vermittlerin, die dem Erzählrhythmus folgt, ihn begleitet und kommentiert. Das allein wäre schon ausreichend, um eine wundersame impressionistische Verschmelzung von farbiger Erzähl- und Tonkunst zu erleben. Das Leben Vincent van Gogh’, zwischen Hunger und Existenznot, zwischen höchster bildhafter Perfektion und wahnhafter Verzweiflung,´aus den Briefen zwischen Vincent und seinem Bruder Theo zusammengestellt, ist zu einer kunstvollen kleinen Kammeroper geworden.

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MIlchwald, HB

Eine kleine hanseatisch eingebürgerte Mannschaft, die ausgezogen ist, die abgewiesene Russin zurückzuholen, bewegt sich wahrscheinlich per Bus und zu Fuß oder auch mit der Bahn ins Grenzland Polesien, wo einst Hitlers Schergen herrschten, und damit ist auch der übliche Bezug zur Nazivergangenheit hergestellt. Eingebaut ist sogar ein alter Bunker aus Pappmasché, der nach und nach eingerissen wird, was eine ziemliche Schweinerei auf der Bühne hinterläßt. Die kleine Gruppe will also die Asylbewerberin Laila samt Kinderschar zurückholen und fällt dabei nicht nur einmal aus der Rolle und auf die Nase. Dann und wann bläst der weiße Bühnenebel über die Darsteller hinweg, die sich unter der Führung eines gewichtigen Bodybuilders in permanente Unannehmlichkeiten katapultieren. Aber solange mit Marx und Marcuse und Aristoteles – auch Antiogone und Medea dienen als Wegbegleiter – ermutigend argumentiert wird, ist wohl alles in Ordnung.

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wagner – der ring des nibelungen, B

Worum geht es in dieser Zertrümmerung des nordischen Mythos “Die Nibelungen”, aus dem Richard Wagner mit seiner “Ring” -Tetralogie eine unglaubliche Botschaft schöpft? Es geht um Wahn und Wahnsinn, es geht um Schuld und Schulden, es geht um Marx und Adorno, und es geht um vor allem um die Entlarvung und Entblößung gesellschaftlicher Strukturen in der Menschheitsgschichte, vor allem in der deutschen Kunst und Politik. Um dem Chaos des zeitlosen Wahnsinns eine zeitgemäße Struktur zu geben, turnen und tanzen die Darsteller als Insassen einer Irrenanntalt in einem vergitterten Raum über riesige Tische und Stühle, über Spüle und Küchenherd und quellen dampfend aus der Herdtür ins Geschehen; grelle Fratzen und blutverschmierte Kostüme verstehen sich heutzutage von selbst, denn der Wahnsinn ist natürlich nicht freundlich und schön, sondern grausam verzerrt und abstrus; leider phonetisch auch oft unverständlich, bis auf die atonalen, zwischen Jazz, zeitgenössischen Klangvariationen und entfernen Anleihen an Wagners schwülstiger Romantik, die die oft dröhnend eingespielten musikalischen Bewußtseinserweiterterungen von einem Orchester mit zwölf Musikern, sogar von Barenboim dirigiert, begleiten lassen.

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