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Master Class, OL

Das ist eine wunderbare Weisheit der großen Sängerin Maria Callas, die sie allen Liebhabern des Belcanto hier ans Herz legt: wie man Musik nicht nur hören, sondern er-fühlen muss, mit allen Sinnen, mit aller Hingabe und Konzentration. Auch Martyna Cymermann als zweite Schülerin Elena trotzt dieser Folter der einst als göttlich bezeichneten Diva in aller Verzweiflung letztendlich doch und beschert ihr eine für die Meisterin-akzeptable, immer wieder kritisch durchleuchtete und veränderte Darstellung der Lady Macbeth – für ein junges Mädchen, so lautet die Intention der Callas – eine beinahe unverantwortlich anspruchsvolle Wahl; denn die Jugend soll lernen und erfahren, was ihrer Begabung entspricht, was sie zunächst erleiden und erarbeiten muss, um sich allmählich an die großen historischen Rollen heranzutasten.

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L’Isola d’Alcina, OL

Eine Hommage an Europa. Beinahe wie bei Mozart: heiter, beschwingt, ein HImmel voller Melodien, nur dass sich hinter diesem köstlichen Schwank zwei Autoren verbergen, die man ansonsten eher selten hörte. Dass sich hier die Oper selbst verulkt, nicht nur in ihrer Choreografie mit schauspielerischem und musikalischem Übermut, sondern vor allem mit einem Metatext, der den Irrwitz des Geschehens selbstironisch kommentiert und jederzeit auch mit zeitgenössichenen Bonmots aktualisierend auffrischen und dekorieren kann. Eine fröhliche leichte Kost nach schwerem Ring-Menu. Überaus herzlicher langer Applaus.

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Schwarze Schwäne, OL

Betroffenheit, aber auch heiterere Momente beleben dieses kleine Drama, und sie werden am Ende ein großes Problem aufgreifen, vertiefen und doch niemals wirklich zuende bringen: Ein Robter tut, was ihm eingegeben wird, er führt feste Algorithmen* aus, denkt nicht, fühlt nicht, gehorcht der Logik. Und damit bleibt er fern aller Ethik und Moral. Er denkt nicht: Was wollen wir? Was können wir, was verlangt die Gesellschaft von uns, und was sind wir in der Lage, zu bewältigen?

Ein wirklich nicht leichtes Thema, aber so lebensnah, empathisch und verständlich von zwei ungemein engagierten Schauspielerinnen zu einem kurzweiligen und sehr nachdenklichen Spiel umgesetzt- vor einer dunklen Wand, auf der helle, sich wellenartig bewegende Linien vielleicht die menschlichen und technischen Gehirnströme zeigen sollen, während schneeweiße Plastikformen wie kleine Monumente die Bühne in das Geheimnis des Lebens hüllen. A.C.

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Don Carlo, HB

Diese Inszenierung besticht vor allem durch einige ungewöhnliche dramaturgische Einfälle: Da rackert sich ein von seinen Qualen gezeichneter Christus als Sisyphos mit einem zur Kugel geformten Bücherballast ab, diesen über die Stufen in der sich auftürmenden Bibliothek zu stoßen, vergebens, immer wieder muß dieses abseits agierende, von den Darstellern nicht wahrgenommene Sinnbild aller Vergeblichkeit einer um Frieden ringenden Menschheit von vorne beginnen; Stephen Clark darf mit seinem schönen Bass leidvoll Schicksal und Erlösung der Menschen beschwören und später sanft die verstoßene Elisabeth auf ein besseres Jenseits vertrösten.

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Der Hofmeister, B

Die gesellschaftlichen Zustände jener Zeit haben Brecht und sein Team, Caspar Neher, Egon Monk, Benno Besson und Ruth Berlau als bewegte Bilder wie im Stummfilm auf Zelloloid gebannt, wenn auch nicht sehr professionell, aber doch mit genialen Einfällen, mit alten Kostümen und übertriebener Dramatik in Szene gesetzt. In der jetzigen, akuellen Version von Kühnel und Kuttner mit der kongruenten Musik von Matthias Trippner geistern diese alten Figuren in gespenstischen Zerrbildern über die Bühne jener Tage; Immer noch sind die Bewegungen ruckhaft, stakkatoartig und daher durchaus passend in ihrer grotesken Ambition, während der geraffte Text, bemerkenswert exakt auf die Leinwandbilder abgestimmt, von den Schauspielern auf der realen Bühne gestisch, dramatisch und episch dargestellt wird. Eine Farce, die das bittere Schicksal eines Menschen beschreibt, der sich erniedrigen und beleidigen läßt, ohne sich zur Wehr zu setzen. Sehenswert.

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Die heilige Johanna der Schlachthöfe, HB

Ein fulminanter Saisonauftakt! Schauspieler, die mit Leidenschaft und grundsolidem schauspielerischen Potenzial eine Aufführung hinlegen, die ich lange nicht so sah: Autorengetreu, sprachlich einwandfrei akzentuiert und nicht nur gesprochen, sondern jeder Satz durchdacht und nacherlebt, so dass das Publikum in atemlose Spannung versetzt wird. Die Bühne sieht am Ende wie ein Schlachtfeld aus, aber zu Recht: denn was die verantwortungslosen Viehhändler und geldgierigen Schlächter dem armseligen Arbeitevolk hinterlassen, ist ein blutiges, lebloses Schlachtfeld, auf dem sich nur noch die Finanzgeier tummeln. So radikal wie Bert Brecht diese Anklage dramatisiert hat, so poetisch und anspruchsvoll er seine peitschenartigen Statements setzte, so intensiv war und bleibt auch die Wirkung seiner Bitterkeit gegen einen mitleidlosen Kapitalismus, den er in Amerika während der Rezession erlebte, und von dessen Erlösung er sich 1947 mit dem Ruf an das ostdeutsche Berliner Ensemble ein besseres, jedenfalls ein anderes, gerechteres Dasein vesprach.
Aber das war eine andere Sache.

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