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Iwanow, B

Diese Gesellschaftssatire spielt in der Gegenwart, und man glaubt es kaum, ist einfach so aus alten russischen Zeiten geschickt transferiert. Was unterscheidet die Menschen von damals und heute? In ihrer Sehnsucht nach Anerkennung, Wohlstand, Erfolg, einem bessern Leben, das sie aus ihrer Wohlstands-Langeweile und vom monitärem Mangel erlöst? Aber dazu müßten sie sich ja bewegen, den Ball, der ihnen zugespielt wird, mit Geschick und Klugheit parieren und über die Hürde bringen. Netzroller plumpsen ohne Erfolg am Netz herunter und bewirken rein gar nichts, nur Minuspunkte. Dass alles so passend mit schwarzer Komik angefüllt ist, stößt bei den leider mehr auf scharfen Witz abbonnierten Berlinern natürlich auf Granit. Schade drum. Wer die Feinsinnigkeit des nordischen und englischen Humors liebt und den treffsicheren Sarkasmus auch als kritische Aufforderung sieht, die darin verborgene Kritik an den Zeitgeist zu verstehen und nicht als Angriff auf das hehre Genre des Dramas, wird dieser Inszenierung mit Tchechows zeitnaher Intention gewiss mit Lust und Freude folgen. A.C.

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Gelbes Gold,B

Es ist immer wieder das Thema der Zukurzgekommen, in der Literatur, im Film, Theater, in persönlichen Gesprächen. Und es stimmt traurig, wie sich in diesem Gold-Stück der alte Fritz noch immer an seinen Pommes Frites erwärmt, nach neuen pikanten Veränderungen sucht, um sie noch köstlicher zu bruzzeln; wie seine Lebensgefährtin und Geschäftspartnerin Mimi ihrer Verbitterung über alles und jeden – über die Stagnation, die falschen Versprechungen und irregeleiteten Hoffnungen, die Flucht der Dorfgemeinschaft nach dem Abriss der alten Platten – vehement Luft macht. Sie ist keine Nörglerin, sondern leidet wirklich, sowohl unter dem sturen Mann, der ihre Interessen ( und ihr fortschreitendes Alter!) irgnoriert wie auch unter der Vereinsamung in der ländlichen Beschaulichkeit in gelb glänzender Rapsfeldromantik.

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Der Sohn, B

Exemplarisch wird hier “der Sohn” in einer schnellen Szenenabfolge vorgestellt, intensiv gespielt von Darstellern, die das Anliegen des Autors zu ihrem eigenen, wie auch zum Anliegen der Zuschauer machen. Damit erfüllt das Theater eine verantwortungsbewußte Aufgabe: eine jugendliche Depression in ihren tiefverwurzelten emotionalen Facetten transparent werden zu lassen; den Umgang der mehr oder minder hilflosen Erwachsenen mit der “null Motivation” des Sohnes sensibler zu machen. Außerdem kommt für den aus der Welt gefallenen Nicolas das nicht verarbeitete Scheidungserlebnis seiner Eltern hinzu, das ein so in sich verirrter Mensch wie dieser sanfte, sich auch körperlich verbiegende Junge nicht begreifen kann. Ein Appelll an alle Erwachsenen, diesen oft als pubertären Ausfall beiseite geschobenen seelischen Zustand in einer tieferen Verunsicherung zu suchen.

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ELIAS, OL

In dieser Inszenierung gibt es noch eine kleine Ausschmückung mit der zarten Carla Götz, die nicht nur in der Rolle als Knabe engelsgleich in eine begnadete Höhe klettert, sondern auch klar und klangvoll Greta Thunbergs Anklage gegen die blinde Gesellschaft in der heutigen Zeit verliest. Na, klar. Es hat sich seither in dieser Hinsicht wohl auch nicht viel geändert, Das Rad der Geschichte hat immer wieder Wogen aufgewühlt und ist auch wieder zur Ruhe gekommen. Was in der heutigen Zeit allerdings sicher noch einiger Anstrengungen und Einsichten bedarf.

Das Schönste und Machtvollste in diesem von dem begnadeten jungen Felix so kunst- und klangvoll komponierten Oratorium ist nicht nur die große dramatische Rolle von und für Elias, sondern auch und nicht weniger von emotionaler Eindringlichkeit sind die hinreißend mit dem Geschehen verknüpften choralen Arrangements, Versionen und Visionen. Und durch die Intensität, mit der das Volk sich Gehör verschafft, mit der es jubelt und preist, und klagt und verurteilt, kommt diesem – auch und vor allem in dem geschichtlichen Kontext seiner Zeit, dem Werk auch eine revolutionäre Bedeutung zu. Das Orchester weis um dieses Anliegen.

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Ein Oscar für Emily, B

Es wäre kein gutes Stück, wenn es nicht mit Spannung und Intensität und Tiefgang weiterginge. Und sich nach und nach das Lebensrätsel dieses seltsamen Paares enthüllte, auch ihre permanente Streitsucht, wenngleich in Bühnenrollen verpackt, offenbarte, was an ihrer Seele frißt. Und wie gut, dass dieser Jeff da ist und ihnen hilft, nach und nach wieder die Realität zu sehen. Bis zur Überreichung der großen Trophäe werden ihre Träume in eine Gegenwart angekommen sein, die für Emily und Henry nun zu einer ganz großen Kunst führt: der weisen Akzeptanz der ungeschminkten Wirklichkeit hinter der Fassade, die sie nun nicht mehr benötigen. Denn das reale Leben hat sie eingeholt und ihnen versöhnlich die Hand gereicht. Ein verdienter Oscar, nicht nur für Emily. A.C.

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Decamerone, B

von Kirill Serebrennikov nach Motiven von Giovanni Boccaccio in zehn Geschichten Berliner Ensemble, 2022, Berlin Regie u.Bühne: Kirill Serebrennikov, Dramaturgie: Birgit Lengers; Licht: Robert Grauel, Sergey Kucher;Choreographie: Evgeny Kulagin; Kostüme: Tatyana Dolmatovskaya; Kompoistion, musikalische Leitung: Daniel Reitag; Video: Ilya Shagalov, Ton: Svyatoslav Avilov  mit: Philipp Avdeev, Georgette Dee, Yang Ge, Oleg Gushchin, Oleg Gushchin, Marcel Kohler, Georgiy Kudrenko, Victoria Miroshnichenko, Jeremy Mockridge, Irina Vybornova, Regine Zimmermann; Musik: Daniel Freitag, Isabelle Klemt, Maria Schneider Aller Rhythmus folgt dem Herzschlag Liebe, Leid,

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