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Der gute Mensch von Sezuan, HB

Wahrscheinlich aus pädagogischen Gründen, und weil man doch meint, das Vermächtnis Berthold Brechts hüten zu müssen, zeigt man in gewissen Abständen seine Werke, verschlankt, aufgepeppt mit Modernismen, karikiert in der Personenausformung, aber doch mit Anspruch der Moral auf deutschen Bühnen. Jetzt also “Der Gute Mensch von Sezuan”: in der Hauptrolle zwei junge Schauspielerinnen, die die arme, gutmenschliche Shen Te und ihr zweites, strengeres Ich mit Überlebenswillen, als Vetter Shui Ta, gleichzeitig als inneres und äußeren Schattenspiel darstellen. Das verquirlt ein wenig durcheinander und führt zuweilen zu Irritation.Vielleicht auch steht das geschundene, stumm schreiende Ich zu sehr im Vordergrund, während die tapfer kämpfende männliche Seite des Mädchens sich erst allmählich entfalten kann. Drumherum viel arme, böse, gerissene, traurige, hungrige Menschen aus dem Kiez. Aber ihnen kann geholfen werden. Wodurch? Keine Ideologie erreicht, was der Mensch aus Liebe schafft. Und so können die drei Götter wieder einigermaßen zufrieden abziehen. Die Zuschauer auch.

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Unterwerfung, B

Francois ist ein 40jähriger Literaturprofessor, der sich innerlich bereits aus einem lebendigen Dasein verabschiedet und sich in geistige und seelische Isolation geflüchtet hat. Der Patient Europas steht hier sinnbildlich für eine hilflose Haltung in politisch und gesellschaftlich existenziell wichtigen Fragen, die der Autor des Buches den Intellektuellen Frankreichs vorwirft. Die Inszenierung ist genauso indifferent wie der in einem Krankenzimmer ausgegliederte Hochullehrer, der außerhalb von Sex und Alkohol nach dem Sinn des Lebens sucht .
Wer mehr erfahren möchte, sollte sich mit dem Buch beschäftigen, wer die Entwicklung in der Gesellschaft beeinflussen will, sollte vom Krankenlager aufstehen und die Initiative ergreifen und sich nicht freiwillig in ein System fügen, dass die Grundwerte der westlichen Welt nicht akzeptiert. Damit hätte Houellebecq schon mal sein Ziel erreicht, und die neuerlich in den Medien aufgetauchte Frage, ob er selbst zu jenen Intellektuellen zählt, die sich still der Resignation hingeben, dürfte hiernach nicht mehr relevant sein. A.C.

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Richard III., B

Dieser Richard ist eine Ausgeburt des Bösen, ein Kind des Teufels, ein Satansschüler – den Lars Eidinger wie eh und je so exzessiv, so exentrisch und diabolisch gibt, dass es schon wieder Spaß macht, ihn in all seinen Masken zu erleben, in denen er hinter den Kulissen zum Mord antreibt und vor allen Verwandten und Höflingen den Biederen, Sanftmütigen, Unschuldigen spielt, den Werbenden, mit betörenden Worten als Verführer sich ganz und gar entblößt vor der trauernden Witwe am Sarg ihres gerade eben erst verstorbenen Gatten. Mit der Wucht eines umwerfend reichen Wortschatzes, den Shakespeare dieser Absurdität der Menschlichkeit eingibt, spinnt er die verzweifelte, hassende, wütende Anne in sein dichtes Netz, taucht das tödliche Garn für den Augenblick in Honigsüße. Was für eine Schauspielerei! Was für ein Spaß an der Diabolik, mit der uns dieser zweispältige Monsterkönig ins Vertrauen zieht, uns einlullt in seine unfassbare Vernichtungsstrategie!

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Das Feuerschiff, B

Die Wiederaufnahme in die neue Theatersaison hat diese Inszenierung wohl vornehmlich Ulrich Matthes zu verdanken, der sein Publikum als knorriger alter, sturer Käpt’n fasziniert, der unbeirrbar seinen Idealen von Ordnung und Gehorsam dient und damit entweder die Katastrophe vollendet oder abbiegt. Das bleibt in dieser Bearbeitung des Frühwerks von Siegfried Lenz offen, dessen schwebend schöne Sprache hinter der Sachlichkeit dieser auf engem Raum gehaltenen Bearbeitung von John von Düffel zurückbleibt. Auch die Handlungsmöglichkeiten sind heutigen Tages mittels moderner Technik und psychologischer Hilfe im Fall einer solchen In-Geisel-Nahme an Bord eines beinahe ausgedienten Feuerschiffs weitaus größer. Da der hier Schluss offen bleibt und damit nicht nur Schulklassen einen Ansatz zur Diskussion über das adäquate moralisch-ethische Verhalten in einer katastrophalen Situation gibt, kann man die Bühnenversion dieser Erzählung akzeptieren. Ein großer Wurf ist sie nicht.

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VAN GOGH, B

Vom pfarrelterlichen Haus geprägt, versuchte es Vincent zunächst in mehreren Berufen, auch als Prediger bis er schließlich begriff, dass er nur zu einem taugte: als Maler. Dieser Berufung, dieser Leidenschaft würde er alles unterordnen, allen Anforderungen eines normalen Lebens opfern, um ganz und gar in ein Reich der Phantasie mit solcher Inbrunst und Ausschließlichkeit einzutreten, das ihn nie mehr freigeben würde und das zu teilen, außer Theo, kein Mensch fähig war. Otto Strecker gelingt es in einer intensiven, zunächst heftigen, dann zärtlich-behutsamen Vorstellung, die lebenslange Beziehung zwischen diesen Brüdern transparent zu machen, die Kunst des einen mit der verständnisvollen Liebe des anderen zu verbinden und den Zuschauer neugierig zu machen auf den umfangreichen Briefwechsel der Brüder van Gogh. Und auf die nächste Ausstellung, vielleicht sogar einen Besuch im van Gogh Museum in Amsterdam. A.C.

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Die Familie Schroffenstein, HB

Ein Versuch, das romantische Familiendrama einer zum Morden verleiteten, ihren Erbanspruch verteidigenden Familiensippe in einer möglichst sprachgetreuen Inszenierung anzuspielen, hat sich offenbar in dieser szenischen Sparflammenfassung bisher gut verkauft, sonst hätte man sich wohl nicht zur wiederholten Aufnahme in die neue Spielsaison entschlossen. Diese Familiensaga ist Kleists Erstlingswerk, jugendlich sturm- und drangversessen, und doch im Ansatz voller Kraft und Leidenschaft. Wie er die Unerbittlichkeit der rachedürstenden, besitzgierigen Familien von Schroffenstein schildert, hat archaische Kraft und ist auch in unserer Zeit, wenn auch im subtileren Rahmen, durchaus nachvollziehbar. Hier sitzen sie am runden Tisch, eigentlich kilometerweit von einander entfernt auf ihren Burgen, sich verzehrend vor Hass und Rache und Trauer. Die Dramatik dieser Inszenierung vollzieht sich vornehmlich in ihrer sprachlichen Brisanz, die Darstellung bleibt reduziert. Die Wirkung ergibt sich aus dem Wort – und dem dürfte man durchaus noch mehr Nachklang geben.

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