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Carmen, HB

Es hätte ein Neuanfang fern aller überstrapazierten Folklore und Zigeunerromantik werden können, wenn auch nur annähernd die verdeckte Glut, das Feuer dieser Frau, von der wohl alle Männer träumen, auf das Publikum übergesprungen wäre, José nicht als leider etwas neben sich stehender, (auch schon reiferer) Mann gar zu tumb gewirkt und das Bühnenambiente nicht gar so sehr den Charme alter DDR-Gasthäuser verströmt hätte. Aber die begeisterten Zuschauer bescheinigten der Inszenierung den Versuch, das Dämonische der gleichsam männervernichtenden wie leidenschaftlich liebenden Frau mit steifer Bürgerlichkeit in einem einzigen Bühnenbild zu vereinen. Ob das genügt?

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Im weissen Rössl, HB

Also, diese Inszenierung ist ein Treffer, den allerdings nicht so recht würdigen kann, wer von der Operette anderes erwartet als was sie traditionell zu bieten hat. Wollte sie sich treubleiben – in einer Zeit geboren (übrigens in Paris) als Scheinheiligkeit und Prüderie, Pedanterie und geistige wie seelische Abstinenz noch vom vikorianischen wie preußisch strengen Zeitgeist geprägt waren und die Künstler als Ventil die Bühne nutzten, um ihre Ketten zu sprengen und ein überbordenes Lebens- und Lustgefühl auszuspielen (bis die Nazis dem wieder ein Ende setzte und die Operette von aller Frivolität und frechem Charme “befreiten”, um sie in einen zuckersüße Schmelztigel zu tauchen) – so musste sie sich neu erfinden. Das heißt, Altes mit Neuem zu verquicken, Bonmots und Gags unserer Zeit anzupassen, die der alten so seltsam ähnlich ist…

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Buddenbrooks, OL

In der Inszenierung überträgt sich die fröstelnde Atmosphäre spannungsgeladen im Fortschreiten des imperialen Untergangs dieser Familie. Die Entwicklung wird in großen Sprüngen vorangetrieben, schließlich will das Jahrhundertwerk Thomas Manns, der in dem 1901 erschienenen Meisterwerk Anleihen an die eigene Familiengeschichte machte, in gut drei Stunden über die Bühne gehen. Beinahe geisterhaft, weder greifbar noch be-greifbar bleibt für den Zuschauer, der ja bereits alles im Voraus weiß oder doch ahnen kann, wie blind diese bemitleidenswerten Menschen ihrem tragischen endenden Weg folgen müssen, weil sie unfähig sind, sich aus den alten Strukturen, dem Gefängnis ihrer Erziehung und den gesellschaftlichen Regeln und Zwängen, zu befreien.

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Le Nozze di Figaro, HB

Wie man mit spärlichsten Verkleidungsstücken auskommt, auf Szenenbilder und dramaturgisch ausgefeilte Darstellung im traditionellen Stil verzichtet, das Spiel der Commedia dell’ arte nur noch andeutungsweise (vor allem in den verkasperten Figuren der ausdrucksstarken Marcellina und des kraftvollen Bartolo) zugunsten einer allein mit Lichteffekten und musikalischem Spielfeuer betriebenen Handlung bis zum – nicht unbedingt für alle – glückseligen Ende vorantreibt, das ist dann doch ausgesprochen erlebenswert. Chor, Orchester und Sänger verwandeln mit großer Gefühlsakrobatik ein gesellschaftliches Szenario in total ver-rückte Verhältnisse.

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Der Idiot, OL

Irinia Okninas Nastassja ist zerrissen zwischen diesen eher undurchsichtig sich verhaltenden Mannsbildern, denn der dunkle, unheimlich und tiefgründig sich artikulierende und bewegende Rogoschin ist als leidgeprüfter Liebhaber ebenso begehrenswert wie der in sich ruhende Myschkin. Daniel Moon spielt und kostet seine Leidenschaft in voller Tiefe aus, und man hört ihn zugleich als Othello und alle anderen verstörten und gedemütigten Liebenden der Operngeschichte. Irina Oknina wird im späreren Duell mit der jungen um den Fürsten buhlenden Aglaja die gewaltige Strahlkraft ihrer Persönlichkeit einsetzen müssen, um im Sängerduell der liebenden Frauen zu siegen. Denn auch Yulia Sokolik weiß um die Stärke weiblicher (und gesanglicher) Betörungskünste. Wäre Fürst Myschkin weiblicher Macht und dem Dämon des Mammons verfallen, die seltsamen Gebaren seiner Mitmenschen, Geld zu verbrennen oder für die eigenen Töchter zu Markte zu gehen, würde ihn wohl nicht so entsetzen. So vergeudet die Generalin Jepantschina, mit Melanie Lang eindrucksvoll besetzt, ihre ganze Energie an der naiven Weltunerfahrenheit des begehrenswerten, trotz seiner Krankheit attraktiven möglichen Ehemannes.
– Während unten im Orchestergraben die Instrumente die Geschichte einer überschäumenden Leidenschaft und eines göttlichen Mitgefühls und somit die stille Hoffnung des Dichters wie des Komponisten auf eine verständnisvollere Welt ad absurdum führen. A.C.

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The Forbidden Zone,B

Dokumentartheater auf mehreren Ebenen: Auf der Bühne wird gespielt und gefilmt, was einst geschah: der Kampf der Chemikerin und Ehefrau Fritz Habers, Clara Immerwahr, um die Ethik von Wissenschaft und Forschung und ihr Freitod; Der Kampf ihrer Enkeltochter nach dem 2.Weltkrieg um Schuld und Sühne und die Forschung zu friedlichen Zwecken. Auch sie schied in ihrer Verzweiflung um die Aussichtslosigkeit einer friedlichen Welt aus dem Leben. Darin in verschiedenen Sequenzen verwoben das Schicksal der Soldaten, die durch den Einsatz des von Haber entwickelten Giftgases im 1.Weltkrieg schrecklich zugrunde gingen. Die Inszenierung ist technisch faszinierend und emotional verstörend. Falls wieder im Spielplan, unbedingt anschauen!

Und als Gegenstück – falls irgendwo auf der Bühne oder im Film zu sehen – ebenfalls sehenswert: “Alfred Nobel und Bertha Suttner- eine Liebe für den Frieden”

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