Category Archives: Klassik/ Moderne

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Ismene, B

Ismene also, vergessen von der Geschichte, von der Familie ohnehin niemals besonders beachtet, ist keine Heldin gewesen im Todesreigen ihrer Familie, sie hat kleinkindhaft, naiv, unwissend verfolgt, was um sie herum geschah, ohne es begreifen. Mit dem Verstand eines wachen Kindes reagierte sie und sinniert weiterhin über die Frage warum? Warum hielt die Schwester am schicksalsgebundenen Glauben der alten Götter fest, wo Kreon sich doch bereits der neuen Zeit zugewandt hatte, warum mußte sie den toten Bruder begraben, wenn es doch den eigenen Tod bedeutete und diesen doch nicht wieder ins Leben zurückbringen konnte, warum mit dem Geliebten sich in der Grabkammer einschließen lassen, um zu verhungern? Warum überhaupt wurde Ödipus bestraft für etwas, das er doch unwissenlich tat, der durch ein unantastbares, unbewegliches, widerwärtiges archaisches Gesetz in das Rad der Vernichtung geflochten wurde – von ihnen, den Göttern, die – unfassbar und unbegreiflich – gegen alle Vernunft verehrt wurden?

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Ein großer Aufbruch, OL

Magnus Vattrodt, Jahrgang 1972, ist ein deutscher Schriftsteller, der vor allem durch Drehbücher für ARD-Tatort-Krimis sowie den Grimme-Preis bekannt wurde. Das ist schon einmal äußerst verwunderlich. Denn dermaßen schwere Themen wie Tod und Gott können eigentlich nur angelsächsische oder amerikanische Autoren mit so leichter boulevardesker Hand verfassen, wie diese von Witz und Sarkasmus und sehr viel Empathie durchdrungene Geschichte von dem Pensionär Holm, der beschlossen hat, demnächst in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen und nun seine unwissende Familie und Freunde zu einem letzten Mahl eingeladen hat. Und es gelingt dem Regisseur Christoph Roos und seinem brillianten Schauspielerteam, den Charme dieses existenziellen Spiegelbildes treffsicher zu verdeutlichen, allen Pointen und allen schwerblütigen Szenen gleichermaßen gerecht zu werden, wie man es bei bisherigen Verfilmungen dieses Stückes vermisste.

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Der Mensch erscheint im Holozän, B

von Max Frisch In einer Fassung von Thom Luz und David Heiliger Deutsches Theater Berlin, 2018 Essay von Peter von Matt Impulsvortrag über Max Frisch von Beatrice von Matt „Ein Weg ist ein Weg auch im Nebel.”Ist da ein Riss im Boden? Und was ist mit dem großen Riss durchs Gelände? Mit der phantastischen Wachheit des Einsamen beobachtet Herr Geiser seine Umwelt. Es regnet seit Wochen. Was, wenn der Berg ins Rutschen kommt und das Haus, das Dorf, das ganze

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Biografie: Ein Spiel, B

Diese Inszenierung steht seit 2012 auf dem Spielplan und hat seither nichts an Dynamik verloren. Drei Schauspieler in den Rollen eines Spielleiters, einer Helferin, die die weiblichen Rollen übernimmt und eines Probanten, des Verhaltensforschers Hannes Kürmann, versuchen, die Biografie von Kürmann zu ändern, indem er rückwärts orientiert in entscheidenden Phasen seines Lebens eine andere Entscheidung trifft. Wie das funktioniert oder auch nicht, wird in der temperamentvollen, teils recht humorvollen, indess jedoch eigentlich tragischen dramaturgischen Absicht des Autors Max Frisch spannend vorgeführt. Ein Theaterspiel um die Macht des Schicksals und die Ohnmacht des Menschen, das man nicht so leicht aus dem Gedächtnis streichen kann.

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Michael Kohlhaas, OL

Die beiden Autoren Dahlem und Krampe haben die verschlungene Erzählung stark verschlankt und relativ eingängig und logisch aufgearbeitet, wenn auch – eine Krankheit des modernen Theaters – der Text immer viel zu schnell gesprochen wird. Aber abgesehen davon zeigt das mitreißende Ensemble eine kurzweilige, spannende,ergreifend gespielte Fassung, eher als Performance als im klassischen Sinne. Es wird erzählt und getanzt, das Erzählte wird spielerische umgesetzt und gewinnt dabei an Kraft und Dynamik – was eben noch Geschichte war, wird jetzt zur erlebten Darstellung, wobei die harten Rhythmen der Band zweierlich provozieren: den degenertierten Adel in seiner dümmlichen Erbärmlichkeit vorzuführen. Prächtig vulgär schwoijen und umrappen die beiden Tronka-Vettern – Jan Breustedt und Gajko Geithin als Hinz und Kunz – mit hinterhältiger Abgefeimtheit den zunächst noch völlig verwirrten Roßhändler, der ob der ihm unbekannten Passierscheinverordnung freundlich hilflos um Aufschub der Zahlung bitttet bis er vom Markthandel zurückgekehrt ist. Junker Wenzel von Tronka, der dem ehrenwerten Vater kein gleichwertiger Erbe zu sein scheint, wird von Nientje C. Schwabe mit so viel listiger Härte gespielt, dass man bereit ist, ihr den Feudalherrn ohne weiteres abzunehmen, wie sie später auch in der Video- Großaufnahme als Martin Luther den Kriegsanführer Kohlhass schwer ins Gebet nimmt. Das ist sehr eindrucksvoll, und zeigt das von dieser jugnen Dame noch einiges mehr zu erwarten ist.

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Ödipus/Antigone, HB

Sämtliche Werke Shakespeares in 100 Minuten – Sophokles: zwei Meisterwerke der Antike in 70 Minuten –
wer ist schneller, lustiger, aktueller? Aber wo bleibt die klassische Grundlage? – Alle rufen nach Bildung, wie sieht die aus?
Hier sieht sie so aus: Eine moderne Wohnecke mit großen Fenstern mit Meeresblick, rundum Wasser, Bühnenskizze eines Mythos in der Ägäis, aus 2500jähriger Vergangenheit in die Jetztzeit gebeamt. Talkshow des Familienrats nach Comedy-Art. Abspulung einer Familientragödie mit schwarz-humoristischem Einschlag. Es wird schnell, für das allgemeine Verständnis, zu schnell dahergeplappert, pausenlos, ohne Punkt und Komma – Schmerzempfinden und Mitgefühl in diesem Familienkonflikt sind nicht vorgesehen, werden verdrängt, davongespült vom nicht endenden Redefluss aller Beteiligten. Aber diese Methode hat eine Antwort.

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