Xerxes (Serse), OL

von Georg Friedrich Händel
Oper in drei Akten
Libretto nach Niccollò Minato und Silvio Stampiglia

Oldenburgisches Staatstheater, 2015
Musikalische Leitung: Jörg Halubek, Oldenburgisches Staatsorchester; Regie: Jakob Peters-Messer; Bühne/Kostüm: Markus Erika Meyer, Dramaturgie: Annabelle Köhler, Licht: Ernst Engel u.a.
Serse, König von Persien: Yulia Sokolik; Arsamene, Serses Bruder: Leandro Marziotte; Amastre, Serses Braut: Hagar Sharvit; Romilda, Tochter Ariodates: Nina Bernsteiner; Atalanta, Tochter Adriodates: Dana Marbach; Ariodate, Hauptmann: Tomasz Wija; Elviro, Arsames Diener: Aarne Pelkonen

 

 Die Eifersucht ist ein Tyrann

Eine üppiger, farbenprächtiger Blumendekor ziert die hohen Bühnenwände, die keinen Zweifel daran lassen, dass hier eigentlich ein paradiesischer Zustand sein könnte, wenn nicht irgendwie etwas schief hängen würde… und  wenn nicht diese verflixte, komplizierte Gemütsverfassung, die sich Liebe nennt, alle Beteiligten in dieser kleinen köstlichen Barockoper durcheinander wirbelte, und das drohende Damoklesschwert des rigiden Herrschers Xerxes schreckliche Seelenpein für jedermann verkünden würde.

Eingebettet in ein Sängerensemble mit prachtvoller Besetzung und die sich in alle Gefühlsnuancen einfühlende Begleitung eines wundersam sich auf und ab bewegenden Orchesters präsentiert das Staatstheater eine kurzweilige Inszenierung mit einigem Hintersinn. Unter einer sich dem barocken Zeitgeist Händels ebenso verbundenen wie dem kritischen Auditorium der Neuzeit dienenden Regie läßt sich die durchaus in Spannung gehaltene Handlung ( was ja bekanntlich bei Barockopern nicht immer der Fall ist, aber durch geschickte Kürzungen und bewegliches Spiel durchaus machbar ist) genüsslich verfolgen. Da betet der kindlich verspielte Herrscher aus dem sicheren Guckkastenversteck eben noch seine geliebte Platane an – und welcher Natur- und Kunstfreund  fühlte sich nicht zu prachtvollen Bäumen hingezogen – da verläßt er auch schon die in melodischen Schwüngen besungene Eintracht zwischen Mensch und Natur und begehrt seines Nächsten Braut. Dieser Nächste ist zudem sein Bruder, der – so war es wohl nicht nur in klassischen Zeiten – gegenüber dem Älteren nicht viel zu melden hat. Hinter dem klaren, beinahe authentisch an die Eleganz der Kastratenstimmen anklingenden gesetzten schlanken Sopran verbürgt sich die ungewöhnliche Yulia Sokolik, der man eine interessante Maske verliehen hat, samt Bartflaum. Und wenn der Bruder Arsamene auch nach genealogischem Kodex der Unterlegene in diesem Reich ist, so steht er doch an Leidenschaft und Energie dem Xerxes in nichts nach. Für den sehr männlichen Leandro Marziotte ist es ein leichtes Spiel, mit seinem glut- und seelenvollen Altus die Gunst sowohl seiner Herzensdame als auch die des mitfühlenden Publikums zu erobern.

In das Komplott gegen oder für den einen oder anderen Bruder haben natürlich die Damen auch etwas zu sagen: Romilda, eben jene, die Xerxes unter seiner Platane belauschte und nun zu seiner Gemahlin machen möchte, die aber ja Arsamene liebt, zeigt sich mit  Nina Bernsteiner als stimmkräftige und kämpferische junge Dame, die sich ohne Zögern in den Liebeswettstreit – in einer übrigens wunderschönen poetischen Sprache – begibt. Sie hat ja nicht nur gegen Xerxes Besetzergreifung kantilenengewaltig zu kämpfen, sondern auch gegen ihre Schwester Atalanta, die ihrerseits ebenfalls in Arsamene verliebt ist und die Romilda gar zu gerne ausbooten möchte. Also, zwei Brüder, zwei Schwestern, die einander ziemlich feindlich gesonnen sind und das wundervoll in Höhen und Tiefen auspielen. Mal klagen lyrisch sehnsuchtsvoll Laute, Flöte und Oboe, dann wieder setzen Trompeten, Fagott und Streicher dunkle zornige Akzente, tyrannisch wie die Eifersucht, schroff wie herrscherliche Willkür.

Atalantas Intrige wird durch ihr quittengelbes Kostüm giftig-schön charakterisiert, gelb, das war doch einmal ein Symbol für die Falschheit. Und so nimmt sie dem herrlich tumben Diener Arsamenens, dem Aarne Pelkonen das komödiantische Profil eines tumben Hofschranzen verleiht, den Liebesbrief ab, den er  Romilda überbrringen sollte. Atalanta händigt ihn Xerxes als Beweis dafür aus, dass der Brief  Aramenes ihr selbst gelte und somit dessen Liebe zu ihr beweise. Romilda also sei gar nicht seine wahre Geliebte und somit für ihn, Xerxes, frei. Dieser jubelt kurzzeitig.

Doch damit noch lange nicht genug an Verwirrungen, denn der Vater der beiden Frauen ist zufällig Xerxes’ Hauptmann und befindet sich gerade auf einem Feldzug gegen die feindlichen Griechen. Da spaziert durch die Reihen der Verwundeten eine kleine zierliche Gestalt, umsorgt die Männer und versucht, ihre wahre Identität zu verbergen, ist sie doch die Verlobte von Xerxes, die sich gleichfalls verdrängt und verloren glaubt. Während Tomasz Wija als Hauptmann mit  sonoren Bass die Lage  überlegen auszuspielen versucht und vor der sturmumtosten Spielzeug- Schiffskulisse dem kindlichen Xerxes unter dem Regenschirm den Feldzug erklärt, beweint dessen verlorene Braut Amastre ihr Schicksal und vielleicht auch das der Soldaten bitterlich. Traum und Wirklichkeit treffen wieder brutal aufeinander.

So wogt die Kabale hin und her, die Beteiligten glauben sich betrogen, allesamt verraten und keiner sieht mehr eine Erlösung aus der Seelenqual.  Bis auf den Komponisten, der seiner Musik schon den Weg weist, wie sich das Knäul an Missverständnissen nun aufzulösen habe. Und da klingt doch das holde Lied der Vergebung ein bisschen mozartäisch und erinnert an die Großherzigkeit der Gräfin in “Figaros Hochzeit”.

Aber es ist alles nur Schein, ein schöner Schein; denn noch immer ist Xerxes nicht in der realen Welt angekommen, in der seine Amastre (Hagar Sharvit) beharrlich um Liebe und Anerkennung kämpft – und vielleicht auch erhalten wird. Man weiß es nicht, denn Xerxes, der am Ende zu ihren Füßen kauert, wird seiner zukünftigen Gattin einiges an Nachsicht, Geduld und Klugheit abverlangen. A.C.

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