Author Archives: A. Cromme

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Les Boréades, OL

Wegen großer Nachfrage Zusatzvorstellungen am 8.und 9. Januar 2022

Theater par excellance: ein Saisonauftakt, der grandios gelungen ist: mit gewaltigem Theaterdonner, mit tollen Tänzern, mit hinreißenden Sängern, einem absolut stimmig einfühlsamen Orchester, mit Bühnenbildern, die für Überaschung sorgen und von Phantasie zeugen, Kostümen, deren Eleganz und Vielfalt das theatralische Geschehen aufnehmen und wiedergeben. Was soll man mehr bewundern nach dreistündiger konzentierter HIngabe und immer wieder neuen Regie- Überraschungen: wie selbstverständlich Mystik und Klassik mit der aktuellen Philosophie der Aufklärung, dem aufbrechenden Widerstand eines lange unterdrückten Volkes verwoben ist, wie brutal sich die Macht der Tyrannen, des Adels sich hier offenbart, wie ohnmächtig ein Volk scheint, solange es sich nicht Widerstand wagt. Wie machtvoll die Liebe ist, die über sich selbst hinauswächst. Oder /Und letztlich doch den Mut des 80jährigen Komponisten, 25 Jahre vor der französischen Revolution dies fein verpackte Widerstandsepos in Märchenform vorzustellen. Doch er wurde abgestraft, das Werk durfte zu seiner Zeit nicht aufgeführt werden.

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Die letzten fünf Jahre, OL

Ein sehr ungleiches Paar verliebt sich und verläßt einander bereits nach fünf Jahren voller Enttäuschung mit großer Trauer. Ein Kammermusical, das eine adäquate Darstellung mit zwei ausdrucksstarken Darstellern erlebt: Martyna Cymerman und Paul Brady gleiten hier auf einer einsamen New Yorker Straßen-Bühne unter den heftigen Rhythmen einer modernen Musical-Band auf den Irrweg einer ungleichen Partnerschaft.

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Das schlaue Füchslein, HB

Hommage an die Natur

Das scheint das Konzept der Regie zu sein, frei nach dem Komponisten und Autor dieser reizenden, gleichwohl tiefsinnigen Geschichte von menschlichen Gefühlen und tierischem Leben: Aus sparsamen Monologen entspinnen sich nicht nur eine, sondern viele Geschichten um die Schicksale aller Beteiligten. Und gespickt ist diese sich natürlich um Liebe, Leben und Tod rankende kleine Schauspieloper mit allerlei schrägen und bewegenden Momenten; schon der Auftakt inmitten der sinnlich-heiteren Ouvertüre: da schlingt sich in tollen Verrenkungen eine Artistin mit schwarzen Flügeln und grünem Trikot wie ein seltsam schillernder Vogel mit einem zum Seil gebundenen Tuch in die Höhe der Bühne. Erst am Schluss wird sie wieder auftreten – denn Anfang und Ende sind austauschbar; ihr Motto ist die Hingabe zur Natur, ihre einzigartigen Schönheiten und Fremdartigkeiten, ihre Verheißung des Immerwährenden und des stetigen Neuanfangs wahrzunehmen. Das grelle weiße Bühnenbild, einer Zirkusarena gleich, ist beweglich wie eine Rotunde und birgt unter sich den gemütlich bunten Dachsbau, aus dem das Füchslein den alten Knurrhahn verdrängt. Lieb ist hier eigentlich wirklich keiner so richtig… aber es macht Spaß, diesem verzwickten Treiben von Mensch und Tier zuzuhören , das nicht so sehr auf die Sprache, sondern vielmehr auf die hervorragende gesangliche und körperliche Beweglichkeit der Dasteller ausgerichtet ist.

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MIlchwald, HB

Eine kleine hanseatisch eingebürgerte Mannschaft, die ausgezogen ist, die abgewiesene Russin zurückzuholen, bewegt sich wahrscheinlich per Bus und zu Fuß oder auch mit der Bahn ins Grenzland Polesien, wo einst Hitlers Schergen herrschten, und damit ist auch der übliche Bezug zur Nazivergangenheit hergestellt. Eingebaut ist sogar ein alter Bunker aus Pappmasché, der nach und nach eingerissen wird, was eine ziemliche Schweinerei auf der Bühne hinterläßt. Die kleine Gruppe will also die Asylbewerberin Laila samt Kinderschar zurückholen und fällt dabei nicht nur einmal aus der Rolle und auf die Nase. Dann und wann bläst der weiße Bühnenebel über die Darsteller hinweg, die sich unter der Führung eines gewichtigen Bodybuilders in permanente Unannehmlichkeiten katapultieren. Aber solange mit Marx und Marcuse und Aristoteles – auch Antiogone und Medea dienen als Wegbegleiter – ermutigend argumentiert wird, ist wohl alles in Ordnung.

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Michael Kohlhaas, B

Ein Sammelsurium von Einfällen, aber keine dramatische Struktur – so ließe sich diese Inszenierung beschreiben, die mit technikverstärkter Deklamation das Schicksal des Pferdehändlers Michael Kohlhaas beschreibt, der um sein Recht und Wiedergutmachung kämpft, obwohl er eigentlich hätte wissen müssen, dass Recht und Gerechtigkeit im Sinn der absoluten Vorherrschaft des Adels und der abhängigen Justiz verhandelt werden. Die Geschichte kommt glühend und donnernd über die Bühne, wird mit allerlei Aus-und Anziehvariationen ausgeschmückt, aber wirkt im Ganzen eher, als ob hier zu viele Akteure ihre Vorstellungen eingebracht hätten, und man sich dann irgendwie auf einen mehr schlichten Darstellungsmodus geeinigt hätte. Doch Kleist ist, gerade weil sein Text so authentisch vorherrscht – immer eine Reflexion wert. Ideologische Verbissenheit und der Kampf um Gerechtigkeit sind Diskussionsstoff allemal.

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Die Laborantin, OL

Dieses Stück ist so aktuell, dass es beinahe schon Realität ist, s.FAZ Juli 2021: Da stellt der Autor Thomas Ludwig die Frage, ob “ein Sozialsystem nach chinesischem Vorbild auch in Deutschland denkbar sei?” Er bezieht sich dabei auf eine Studie des Bundesbildungsminsteriums, in der die Forscher das chinesische Modell als mögliche Zukunftsperspektive für Arbeit und Gesellschaft auch für Deutschland untersuchen: dabei geht es um ein Bonus-Modell, von dem der Zugang zu Ressourcen wie Arbeits-oder Studienplätzen abhängig sein wird.
Im Schauspiel geht es “nur” um rating, und es ist noch viel schlimmer, weil es bereits im fötalen Zustand die möglichen genetischen Qualifikationen offenlegt und nach einem Bewertungssystem den Menschen in seinen Zukunftchancen festlegt.

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