Alice im Wunderland, OL

Choreografische Uraufführung von Antoine Jully
Premiere 2012, Wiederaufnahme 1.4.2022
Staatstheater Oldenburg
Musik Alfred Schnittke, Bühne Karine van Hercke und Antoine Jully, Kostüme Karine van Hercke, Ballettmeisterin Carolina Francisco Sorg, Dramaturgie Telse Hahmann, Video Antoine Jully und Alexander Fleischer, Skizzen für die Katze Takaya Kobayashi, Chor des Oldenburgischen Staatstheaters, Leitung Thomas Böhnisch
mit: Alice: Teele Ude/Caetana Silva Dias; Alices Schwester und Märzhase Keiko Oishi, Große Alice Oliver Jones, Dicke Alice Lester René Gonzàlez Alvarez, Weisses Kaninchen Seu Kim/Francesco Fasano, die Zwillinge Tweedeldum und Tweeleldee Herick Moreia, Vincent Tapai; Raupe Samory Flury, Taube und der verrückte Hutmacher Alvarez und Seu Kim, Siebenschläfer Maelenn Le Dorze,  Herz-Königin Oliver Jones, Herz-König Alvarez/Kim, Igel Seu Kim, Schmetterling Samory Flury, das Corps de Ballet als Gänseblümchen, Blumen und Pilze, Spielkarten und Alvarez, Fasano, Moreira und Tapia als Flamingos sowie Oliver Jones als Lewis Carroll als stummer Dichter im fernen Boot .

Gespiegelt in einer surrealen Bilderwelt

Gespiegelt in einer surrealen Bilderwelt

Mit Tempo, Witz und Charme führt Antoine Jully seine Compagnie durch die phantastische, mit köstlichen Effekten überraschende berühmte Reise der achtjährigen Alice in ein Wunderland, das ebenso fantastisch wie skurril, so verblüffend wie gefährlich, so faszinierend wie unheimlich ist;  geführt von einem weißen Kaninchen, das mit Schlabberohren wie ein Springinsfeld daher hüpft und das kleine Mädchen tanzend  über einen Parcours durch ein farbenprächtiges und tückisches Traumland geleitet.

Der Oldenburger Choreograph hat ein überwältigendes szenisches Potpourri kreiert, das mit künstlerisch überbordenden Arrangements  den Tänzern wie  den Zuschauern kaum Zeit zum Luftholen lässt; denn schon überflutet das nächste Bild mit grotesken Masken, komischen Gestalten und  skurrilen Kostüme die Bühne, beugen sich mächtige Bäume, steppen Blumenmädchen und Pilzmänner durch die Gegend, flirren bunt schillernde Insektenmädchen ziellos hin und her wie überhaupt alles in unglaublichen Tempi gehalten ist, als ob es nur noch 16tel Noten gibt für eine Musik, die absolut für jedes neue Bild und Geschehen maßgeschneidert ist – mit schnellen, harten Stakkatos oder in romantischen Klängen eines Franz Liszt, mit dumpfem Wirbel, tiefen Streichern und hoch springenden Flöten: Die tolle Musik ist u.a. von Alfred Schnittke mit “Skizzen”, der Choreografischen Fantasie in einem Akt , 1985 , Philip Glass’  “Dance Piecen –  In the Upped Room, 1987, Mishima 1985 und Koyaanisqatsi 1983 entnommen.
Auf ihrer Reise durch eine absurde Welt, die  trotz aller zauberhaften Blumen und Schmetterlinge so gar nicht lieblich ist, muss  Alice sich vielen unheimlichen Situationen stellen; da gibt es eine gefährliche, in der schwarzen Nacht unheimlich phosphoreszierende Katze, wie Flammen emporzüngelnde Flamingos, eine verrückte Gesellschaft, die sich aus einer Riesenteekanne betrinkt und Alice in endgültige Verwirrung stürzt, denn Hutmacher, Märzhase und Siebenschläfer sind schon seltsame Tischgenossen, die sich wunderlich über Tische und Stühle wälzen, während die Uhren an der Wand rückwärtslaufen und die Lampenschirme zu tanzen scheinen.  Da gibt es großartig sich verbiegende Waldgeister und einen verführerischen tanzenden       Pilzmann. Doch im nächsten Reich wird es wirklich unheimlich: Spielkarten mit seltsamen Mustern und Manieren beherrschen die Szenierie, weiße Rosen auf hohen Stangen,  in deren  Knospen riesige menschliche rot bemalte
Köpfe schlummern, lassen Böses ahnen. Denn der mächtige furiose König und seine kuchengierige Königin bedrohne die arme Alice sogar mit dem Leben. Alice flieht, doch rettung gibt es noch nicht, denn im dichten Labyrinth verbergen sich wunderschöne Bienen in samtenen, rot glühenden Miedern und führen das kleine Mädchen hinterhältig an der Nase herum bis es hilflos nach der Mutter ruft. Doch dann,endlich, mit Hilfe des großartigen Hasen, gewinnt Alice eine neue Sicherheit und setzt sich zur Wehr. Die Geisterwelt hat sie mutig werden lassen, so dass sie sich aus der Enge der schrecklichen Traumwelt, die auch  das Untergründige allen Bewusstseins hervorzubringen vermag, befreien kann. Und Alice hat gelernt: Jeder Zauber verbirgt eine Botschaft, die du erreichst, wenn du das Trugbild durchdringst, die Rätsel entwirrst und das Chaos ordnest. So wie das Theater seine Kreativität jetzt nach langer Zeit der eingeschränkten Möglichkeiten wieder mit aller Intensität versprühen darf, nachdem das Chaos sich geordnet hat. Langer Beifall für ein leidenschaftliches und ausdrucksstarkes  Ensemble – das aus sichtbarem Grund zur Ballett Compagnie des Jahres 2019 nominiert wurde. A.C.

 

 

 

 

4 comments

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *


9 − = vier