Cyrano de Bergerac

 von Edmond Rostand

Eine Tragikomödie – aus dem Leben des Savinien Cyrano de Bergerac 1619-1655

   Gastspiel des Kammertheaters Karlsruhe im Schlosspark Theater

Regie: Christian Nickel; mit: Richy Müller, Birthe Wolter, Matthias Herrmann, Hans Rüdiger Kucich, Matthias Lehmann, Hendrik Pape, Ronja Wiefel


Worte betören, wo sie nicht hingehören


Der “echte” Cyrano de Bergerac war ein eigenwilliger, gefeierter wie verfemter Freigeist, Dichter und Philosoph, kritisch, unangepasst und später sogar von Molière kopiert – aber, er galt auch gleichermaßen als blitzschneller draufgängerischer Kämpfer, nicht nur im Krieg, sondern auch im Frieden. Und das ist auch sein später Doppelgänger, dem Edmond Rostand eine riesige Nase und damit ein noch größeres Minderwertigkeitsgefühl verpasst und somit die Grundlage der Geschichte. Nämlich sobald jemand ihn auf seine überaus bemerkenswerte Extremität anspricht oder verhöhnt, wie es in rauhen Kreisen eher üblich war, kennt Cyrano keine Gnade. Dies Schönheitsmanko ist sozusagen seine Achilllesferse, und die um die herum läßt sich dieses romantisches Drama so herzlich und schmerzlich aufbauen.

Denn dieser oft verfilmte und bühnenerfahrene “Cyrano” verliebt sch unsterblich in seine wunderschöne, naive Cousine und – da sein Äußeres ihm mehr Pein verursacht als seine Dichtkunst ihm an Zivilcourage gibt, liebt er die Unerreichbare lediglich in Versen, die ihre Seele in den Himmel fliegen lassen. Nur leider glaubt sie, dass diese hohen dichterischen Liebesbeweise von ihrem Geliebten, dem schönen, doch recht einfachen Christian von Neuvillette stammen, der ausgerechnet in dem Regiment Einzug gehalten hat, im dem auch Cyrano dient. Fortan muss der Ärmste die Liebesbriefe für den von Roxane Auserwählten verfassen – sein verzweifeltes Zähneknirschen ist weithin vernehmbar.

Das ist natürlich – mit allerlei Spaß und Witzelei – ein Bühnenvergnügen, und die Karlsruher Mannschaft – unter der Regie von Christian Nickel, der zur Zeit am Berliner Ensemble den Theseus in “Ödipus auf Kolonos” spielt -, hat mit dieser Inszenierung denn auch in ihrer Heimat einen grandiosen Erfolg verbucht. Auch in Berlin, wo man für ein harmloses Theatervergnügen von Zeit zu Zeit dankbar ist, dass sich zunächst dramaturgisch noch an der Comédia dell’Arte orientiert, ist das Gastspiel weitgehend ausverkauft. Die Schauspieler schlüpfen historisch kostümiert in verschiedene Rollen, und die jeweiligen Spielstätten sind mit wenigen, schnell umbaubaren Requisiten angedeutet. Ob das zeitweilige Abspielen der Marseillaise passend ist, sollte unter historischen Aspekt unbedingt überprüft werden!!
Das Schwierigste, nämlich das bunt schillernde Milieu der arroganten aristokratischen Gesellschaft zu zeigen und die wilde Unberechenbarkeit der Soldaten, ihnen allen voran der geistreiche und wendige Cyrano, wird mit einigen dargestellten Momentaufnahmen in Erzählform aufgefangen. Die umworbene Roxande blickt von Logenbalkon auf ihre Verehrer und den Schauspieler auf der Bühne herab, den der aufgebrachte Cyrano erbarmungslos von der Bühne scheucht. Wir lernen: nichts ist für diesen Mann schlimmer als triviales Wortgemetzel. Selbst gewitzt und wortgewandt, gleichzeitig fechtend und dichtend, ist ihm kein Feind zu mächtig. Für Richy Müller eine Bombenrolle, die er gewinnend und beherrschend betreibt, als ein kleiner, oft gebeugter, oft hilfloser bemitleidenswerter Außenseiter, doch dann wieder über sich selbst hinauswachsend, wenn er seine glühenden Gefühle in Verse gleiten lassen oder mit dem Degen auch seine körperliche Wendigkeit beweisen kann kann.
Man glaubt seine bedingungslose, aufopfernde Liebe sofort, wenn man die reizende Birthe Wolter erlebt, die als ganz junges unerfahrenes Mädchen in tändelnder Verliebtheit auf den großen Blonden aus dem Norden abfliegt und von den täglichen, von Cyrano für Christian verfassten, bezaubernden Liebeszeilen total betört ist. Und ganz zum Schluss, als sie nach dem Tod von Christian, den der eifersüchtige Kommandant der Truppe, Graf Guiche, in den Kampf geschickt hat, nun als trauernde junge Witwe im Kloster lebt und nur durch regelmäßigen Besuche Cyranos noch am Geschehen in der Welt teilnimmt, da zeigt sie die Erschütterung der um eine wirklich große Liebe gebrachten Frau, und ihre Tränen sind so echt wie die unseren.

Es ist die Geschichte einer traurigen, nie erfüllten Liebe – man kann sie wie hier, als eine reizende romantische Geschichte inszenieren, aber es ließe sich auch – wie oft geschehen – ein tief greifendes Drama um mangelndes Selbstwertgefühl einerseits und dichterische Selbstverliebtheit daraus gestalten. Denn dieser Cyrano ist eigentlich ein Fall für den Psychoanalytiker und für alle, die meinen, dass allein Äußerlichkeiten über Ansehen und Beliebtheit entscheiden. Es ist ein eindringlicher Appell an die Kunst, an die Begabung, an die Möglichkeiten des Andersseins. Und – es ist auch Appell an unsere moderne Welt, in der Romantik gern und leichtfertig als sentimental  abgetan wird, und in der die Liebe – statt mit Phantasie beflügelt – in ihre Grundbestandteile seziert wird.  A.C.

 

 

 

 

 

 

 

dff

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