Hedda Gabler, OL

von Henrik Ibsen

Staatstheater Oldenburg, 2014
Inszenierung: Ronny Jakubaschk; Ausstattung: Matthias Koch; Musik: Johannes Hofmann; Dramaturgie: Lene Grösch; Licht: Herbert Janßen;
mit: Eva Maria Pichler (Hedda Gabler); Bernhard Hackmann (Jörgen Tesmann);Henner Momann ( Eilert Lövberg); Sarah Bauerett (Thea Elvsted); Gilbert Mieroph (Richter Brack), Norea Dutz/Lara Hübner (Kind).

Das Stück wurde am 31. Januar 1891 in München im Königlichen Residenztheater mit Clara Heese in der Hauptrolle uraufgeführt.

 Ein Herz in der Tiefkühltruhe

Henrik Ibsen war der Dramatiker, der gegen die vom strengen Protestantismus geprägte bürgerliche Moral und „Lebenslüge“ seiner Zeit mit einem Realismus antrat, der den Menschen ihr Spiegelbild zeigte, und der auch  im „Kampf der Geschlechter“ im Gegensatz zu dem strengen schwedischen Dichter August Strindberg die  neue selbstbewußte Rolle der Frau aufzeigte.
Mit der Person der verwöhnten Generalstochter und dem Stück, das ihren Namen trägt, trifft er den Nerv einer in Scheinmoral und beliebiger Ethik verkrusteten bürgerlichen Gesellschaft, indem er in einem hochgradig durchpsychologisierten existenziellem Abschlagspiel fünf Menschen auf ihr gemeinsames Scheitern zusteuern lässt. Regisseur Jakubaschk hat aus dem abendfüllenden Schauspiel ein anderthalbstündiges gut durchkomponiertes, gestrafftes Kammerspiel gemacht und die wichtigsten Personen mit scharfer Kontuirierung gezeichnet.

Schon das geschickt gewählte Bühnenbild – schwarz-weiße, schräg gemusterte, seitlich in die Tiefe des Raums führende Wände und schwankende Böden – signalisiert entfremdete Frostigkeit in der kühlen Ästhetik bürgerlicher Geschmacklosigkeit. Es besteht von Anfang an kein Zweifel, wie dieses junge Paar zu einandersteht; zwar hebt Tesmann seine Frau  vorschriftsgemäß über die Schwelle des großen Hauses, aber ihr banales Gespräch verharrt im kühlen Konversationsstil mit stechenden Aufrichtigkeit.  Hedda wärmt sich am glitzernden Ring, da sie nur leicht und elegant gekleidet, der einem Oberkellnerfrack ähnlich gestärkten weißen Hemdbrust ihres Ehemannes kaum wohlige Wärme abzutrotzen vermag. Und sie gestehen einander mit perfekter Beiläufigkeit, was sie von einander erwarten: Geld und Geltung, Befriedigung des beruflichen Ehrgeizes, Titel und Glanz auf dem Parkett der bürgerlichen Eitelkeit.

Eva Maria Pichler ist eine Hedda von schneeewittchenhafter Schönheit, aber mit dem grausamem Lächeln auf einem zur Grimasse erstarrten Gesichtähnelt sie eher der neidischen Märchen-Stiefmutter, die, was sie selbst nicht besitzen kann und darf, gnadenlos zerstören wird. Elegant und symbolisch auch auf den Bühnenabsätzen zuweilen über den anderen Mitspielern stehend, weiss sie mit starrer Selbstkontrolle und eiserner Gefühlsdisziplin ihre Langeweile, ihre Eifersucht auf die Nebenbuhlerin Thea, die Eilert Lövberg als seine wissenschaftliche Gefährtin begleitete und heilte, die Wut auf diesen verlorenen Geliebten und den Ekel auf dessen menschliche Unzulänglichkeit hinter der Maske der perfekten Gesellschaftsdame zu verbergen.

Mit perfider Naivität, teuflischer Hinterhältigkeit und dabei jeden Atemzug sich selbst verleugnend, lauert sie angespannt auf eine Gelegenheit, ihre Macht zurückzuerobern, die sie einst über Eilert Lövberg, einen aufstrebenden Kulturwissenschaftler, ausübte bis sie ihn mit der vom Vater erbten Pistole in die Flucht jagte, als er ihren ethischen und moralischen Ansprüchen in seiner Alkoholsucht nicht mehr gesellschaftlich ebenbürtig war. Aber diese Hedda zeigt auch ihre Verwundbarkeit, ihren Schmerz, ihre Sehnsucht nach einer Dazugehörigkeit in der Fahrigkeit ihrer Bewegungen, ihrem nervösen Gebärdenspiel, hinter zuckenden grellroten Lippen und erschrockener Unsicherheit; doch Schwäche ist für eine Frau, die in militärischer Disziplin einerseits und väterlichen Verwöhnung andrerseits aufwuchs, erbärmlich und unerträglich. Sie würde ihr Gleichgewicht in Gefahr bringen, sie ihrer Rolle der Herrschaft über sich und andere berauben.

So wird sie ihren Weg der Vernichtung gehen, vorbei an einem ebenso gutmütigen, wie wissenschaftlich eng fokussierten Ehemann, der um seine Professur mehr bangt als um die Zuneiung seiner Frau, deren hohen Ansprüchen er finanziell nun nicht mehr wird genügen können. Bernhard Hackmann trifft diese Figur als eifriger, doch als Ehemann wenig geeigneter Kulturhistoriker, der seine Hochzeitsreise überwiegend in Bibliotheken verbrachte. Er bleibt uns sympathisch bis auf den Augenblick als die Macht und Möglichkeit hätte, Lövbergs Manuskript und damit auch den Konkurrenten eventuell zu retten. Sein Ehrgeiz siegt über die Moral eines leeren Herzens. Am Ende wird er mit Thea die Vorlagen für Lövbergs verbranntes Mansuskript wieder zusammenfügen, ungeachtet der tödlichen Verzweiflung seiner Frau, die auch der amoralischen Erpressung des Hausfreundes Richter Brack (Gilbert Mieroph als Wolf im Schafspelz) wegen ihrem Leben ein Ende setzen wird, Klavier spielend, und der letzte Schuß interessiert weder Tesmann noch Thea.

 Sarah Baueretts Thea ist eine zartfühlende und letztendlich viel zu schwache Frau, um sich aus einer unglücklichen Ehe mit einem sehr viel älteren Mann zu lösen und Eilert Lövborg endgültig zu trauen, mit dem zusammen sie sein bereits vor der Veröffentlichung hoch gepriesenes zukunftsweisendes Werk erarbeitete. Der unnachgiebige Charme von Hedda, in deren Fängen sie sich sichtlich unwohl und gleichermaßen hilfslos fühlt, bindet sie ausweglos in das folgende Trauerspiel ein, in dem Hedda Eilert Lövborg infamerweise dazu bringt, ein Glas Punsch zu trinken. Die Konsequenzen des Rückfalls spielen ihr sein Manuskript in die Hände, das sie in nächtlicher Schwärze, wie eine Parze vor den grellen Flammen hockend, verbrennt.

Und Lövborg? Henner Momann hat für diese Rolle alle Möglichkeiten: er kann den Helden, den verzweifelt Liebenden, den Verlassenen, den Egoisten, den Trunkenbold und den zum Tode Verurteilten spielen und bleibt doch am Rande; er wird auch sterbend Heddas persönlicher Moralvorstellung nicht gerecht werden: denn einen Tod in Schönheit gibt es im Bordell wohl nicht. Der Schuß geht unter die Gürtellinie. Das ist es allein, was Hedda entsetzt. Ihre Macht ist gebrochen, der Held ihrer egozentrischen Hassliebe ist unwürdig gestorben. A.C.

 

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