Istanbul, HB

Ein Sezen Aksu-Liederabend von Selen Kara, Torsten Kindermann und Akm E.Sipal
Theater am Goetheplatz, Bremen, 2021 (In den Wallanlagen)
Bühne: Thomas Rupert, Kostüme: EmirMedic, Dramaturgie: Viktorie Knotková
Mit: Mutat Babaoglu, Martin Baum, Gabriele Möller-Lukasz, Susanne Schrader; Band: Torsten Kindermann, Andy Einhorn, Ali Kema Örnek, Peter Imig, Peter Fasching

Ein musikalischer Bilderbogen der Liebe

Ein Maiabend wie im Bilderbuch, zwar etwas kühl, auch ist die Sicht für einige der Besucher durch Buschwerk etwas verschwommen, sozusagen blinzelt man dann durchs Dickicht, aber darauf kommt es gar nicht an; denn Schauspiel ist hier nicht die ganz große Sache, sondern hier dominiert der Gesang, auf Türkisch, zärtliche und leidenschaftliche Poesie, Lyrik vom Feinsten; so sensibel, so intensiv klingt wohl nur die aus dem Herzen in eine musikalische Sprache transponierte Liebe in südlichen und östlichen Ländern, wo man phantasievoll Liebesleid und Liebeslust seit undenklichen Zeiten mit aller Kunst dramatisch pflegt und kultiviert.

Den hingebungsvollen Interpreten, Murat Babaoglu und Gabriele Möller-Lukasz möchte man herzlichen Beifall zollen, vor allem Martin Baum und Susanne Schrader, die  ja wohl die türkische Sprache zunächst erst einmal lernen, beziehungsweise psychisch und phonetisch hinhalieren mußten, um sich derart intensiv in Mentalität und Nuancierung einer anspruchsvollen Liedinterpretation hineinversetzen zu können. Vergleiche mit norddeutschem Liebesliedgut wurden allerdings nicht geboten.

Wenn einem so gar nichts einfallen mag, was man außer der Kochkunst von unseren türkischstämmigen und eingemeindeten Frauen und Männern lernen sollte, dann ist es diese fremde  Kunst, Liebe und Leid, Sehnsucht und Verlangen, Enttäuschung und Trauer in melodisch feinsten Nuanen und kompositorischen Kapriolen auszumalen.

Die kleine Geschichte spielt sich auf einer bunten Kneipenbühne ab, die, dem Wetter zollend, natürlich überdacht, aber zum Publikum hin geöffnet ist, so dass die Musiker zumeist im geschützen Raum ihre Instrumente tanzen lassen können. Die Protagonisten, die mühselig einem wirbeligen Konzept folgen, zwar mehr albernd nach Art der Comedia, sind aber immerhin bemüht, die Story voranzutreiben, die da lautet: Man stelle sich vor, nach dem Krieg sei die Türkei das aufwärtstrebende Wohlfahrtsland gewesen, und deutsche Gastarbeiter hätten Land und Familie verlassen müssen, um sich in einer fremdartigen Gefühlswelt zurechtzufinden – versüßt zwar durch die herzliche Gastfreundschaft der einheimischen Kollegen, aber auch durch so manchen kleinen Seitensprung, zu dem die  temperamentvollen Damen aus mediterranen Gefilden verführen könnten…

Daheim die Gattin allerdings bleibt auch nicht solo, findet sie doch den Postboten ziemlich attraktiv; doch reist sie dem Gatten hinterher und – ist gleichfalls bezaubert von dieser alten, ehrwürdigen historisch umkämpfen und immer noch ihre Geheimnisse hütenden Metropole, schließlich geht es auch um die Faszination von Istanbul.

Wer dies Liederbilderbogen bisher nicht sah und hörte, dem sei er empfohlen, vor allem auch, weil man gut ein bißchen türkisch lernen kann: die türkischen Liedzeilen sind mit deutscher Sprache überschrieben, und man kann recht bald die Betonung und die Artikulierung erahnen – allerdings wird man sie wohl hernach noch nicht wirklich beherrschen! A.C.

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