Gespräche und Diskussionen im Deutschen Theater, B

Sabine Adler

“Die Ukraine und wir” – Buchpremiere
„Glück und Unglück in Europa“ Gespräch mit Adolf Muschg und Wolfgang Schäuble
im Deutschen Theater Berlin am 6.9. und 7.9.2022

Es wäre vielleicht interessanter bzw. weitreichender gewesen, wenn man Frau Adler ins Gespräch mit Herrn Schäuble gebracht hätte. Denn so verlief der erste Gesprächsabend “Glück und Unglück in Europa” mit einem zwar sehr liebenswürdigen und gebildeten, doch seinen 88 Jahren gezollten, unstrukturiert diskutierenden Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg mit dem politisch erfahrenen jetzigen Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, vorsichtig gesagt, ziemlich unrund. Während Muschg in seiner Verzweiflung über die Zustände in der Welt den Humor als beste Waffe gegen Not und Tod einzusetzen empfahl, blieb Schäuble “listig wie Odysseus” (Muschg, der gut und gerne mit der Antike argumentierte) auf der Flugbahn der Realpolitik: Deutschland wie Europa insgesamt müssen die Ukraine, ungeachtet aller selbst zu bringenden Opfer, mit allen Mitteln und Möglichkeiten unterstützen und sich Putins Erpressungsversuchen widersetzen. Verhandlungen seien unmöglich.
Da gab es noch mehr Erkenntnisse und staatsmännische Statements zu Fragen und Problemen der Wirtschaft und der Gesellschaft, die man heute gerne auch von amtierenden Politikern gehört hätte.
Und hier wäre Frau Adler mit ihren ebenso historisch wie politisch fundierten Fakten die bessere Gesprächspartnerin bzw. Kontrahentin gewesen. Zwar ist ihr Resümee dem Wolfgang Schäubles ähnlich, aber sie setzte m.E. mit ihren vorgetragenen Buchaussagen doch auch einen wesentliches Akzent auf eine Klärung der Schuldfrage und Ursachen, die zur Invasion Russland in das ukrainische Territorium geführt haben. Deutschland trage überdies eine grosse Last durch den Holocaust an Tausenden von Ukrainern, aber die scheinbare Blindheit (Tschetschenien/Krimkrieg/ Einmarsch russischer Truppen in Georgien) und irrtümlichen Entscheidungen europäischer Politiker angesichts des ukrainischen Schicksals im letzten vergangenen und diesem Jahrhundert müssten zur Klärung herangezogen werden, wie zum Beispiel die Ablehnung des ersten urkainischen Antrags auf Eingliederung in die Vereinten Nationen (2008), der von Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Steinmeier mit den Argumenten mangelnder demokratischer Festigung und der Gefahr eines unberechenbaren Präsidenten kritisch beantwortet worden sei. Aus diesen und anderen eklatanten poltischen Fehleinschätzungen Erkennntisse zu ziehen, sowie dem Machtanspruch Russlands und dessen gnadenloser wie irrationaler Durchsetzung müsse Europa endlich mit weitreichenden Maßnahmen begegnen.
Beide Veranstaltungen überzeugten durch Kompetenz und Charisma ihrer aussergewöhnlichen Protagonisten. So wie auch die FAZ- Journalistin Frederike Haupt im Gespräch Muschg-Schäuble den Gesprächspartnern die Möglichkeit gab, ihre Positionen und gleichsam ihre Persönlichkeiten mit Temperament darzustellen, spielte der DLF Moderator Jörg Taddäus seine Rolle als Interviewer launig und mit zurückhaltender Kompetenz .

Den beeindruckten Gästen der Abende blieb wie immer, zu wenig zeitlicher Raum für einen Gedankenaustausch.

 Angelika Cromme

 

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