Freischütz – Ein Tanz mit dem Bösen, OL

Musik von Carl Maria von Weber/

Uraufführung der Ergänzungen von Elena Kats-Chernin

Staatstheater Oldenburg, 2024

Musikalische Leitung Johannes Zahn; Opernchor des OL Staatstheaters, Oldenburgisches Staatsorchester, Statisterie des Ol Staatstheaters;
Regie: Joan Anton Recchi, Dramaturgie: Anna Neudert, Bühne&Kostüme: Markus Meyer, Licht: Steffi Flächsenhaar, Chorleitung: Thomas Bönisch u.a.

an diesem Abend, 8,11,, mit Elizabeth Llewellyn (Gast)als Agathe; Stephen K.Forster als Kuno, Penelope Kendros als Ännchen, Michael Wagner als Kaspar, Jason Kim als Max, Irakli Atanelishvili als Eremit, Arthur Bruce als Ottokar, Martin Bermoser (Gast) als Samiel, Seumas Begg als Kilian und Erin Moran, Julia Wagner, Ester Vis und Xzeli Zhou als Brautjungfern.

Der Teufel trägt nicht nur Prada

Eine tolle Choreographie! Eine romantische Oper nach Musical-Art, mit viel Lametta und Pfiff! Das ist ja mal etwas – für junge Leute, würde man meinen. Aber es ist nach wie vor das alte treue, etablierte Opernpublikum, das sich dem Unheimlichen so vergnüglich hingibt, den bekannten Evergreens des wie immer lebendigen Chores genüsslich verinnerlicht und das Spektakel des Bösen mit seinen glitzernden Revuegirls, die sich so gar nicht als Ausgeburten der Finsternis darbieten, sondern höchst apart schon ein paar Übungen der Can Can Show aus dem folgenden Musical “Chicago” vorzeigen, voller Spannung folgt.

Allerdings opfert diese Inszenierung mit ihrem prächtigen Augenschmaus im Vorfeld der Handlung die eigentliche Absicht der Overtüre, die wesentliche Ereignisse aus der folgenden Handlung in ihrer   musikalischen Vielfalt vorzubereiten. Aber hier ist nun das Arrangement von Kulisse und Mitwirkenden   viel zu präsent, als dass es nicht die Konzentration auf sich ziehen würde. Gleichermaßen also ein Ohren- wie Augenerlebnis. Zudem darf Martin Bermoser als Samiel sogar singen und großen Wert auf Eleganz legen. Vielleicht hätte man ihn im Laufe der sich steigernden Handlungsdynamik doch animieren können, diabolisch noch nuancierter und mit einigen Tanzfiguren zu agieren so wie einst Gustav Gründgens als Mephisto? Damit könnte er doch noch ein bisschen mehr diabolischen Schwung auf die Bühne bringen. Folgt man nämlich der Moral von der Geschichte, dass der Mensch auch immer anfällig für die dunkle Seite seines Ichs ist, dürfte es noch unheimlicher zugehen im abgrundtiefen Wald der verschlungenen Gefühle.

Inmitten all dieser wunderbaren Kostümierungen und eines miitternächtlichen Albtraums trifft die zwischen finsterem Frust und heiterer Bühnenkunst changierende Geschichte nun leider den armen Max, Bräutigam und zitternden Antihelden, der so aufgeregt und unglücklich klagt, weil er schusstechnisch versagt, und sein Rivale Killian ihm den Rang als bester Schütze streitig gemacht hat. Der Probeschuss, der ihm  Braut und Mitgift sichert, wird in Bälde über sein Glück oder Unglück entscheiden. Und seine Nerven liegen hörbar blank.

Und dann kommt Kaspar aus dem dunklen Hintergrund auf ihn zu, ein undurchsichtiger Bursche, und gerade der will ihm nun  helfen – allerdings was niemand außer dem Publikum weiß -, um sein eigenes Seelenheil zu retten. Tiefdunkel sind Gedanken und Stimme, beeindruckend und faszinierend wirkt dieser Kaspar nicht nur auf Max, dem er zunächst einmal sein eigenes Gewehr leiht, mit dem Max überraschend gut und sicher trifft. Ein witziger Gag, dass der getroffene Adler auf der dunklen Seite der Macht eigentlich nur die absichtsvolle Täuschung eines grünen Revuegirl-Hutes ist, dessen Trägerin sich daraufhin in die Arme des bösen Grandsigneurs wirft.  Max bleibt natürlich die düstere Wahrheit verborgen, und so folgt für ihn der dramaturgisch vorgeschriebene nächste Schritt, sich diese treffsicheren Kugeln zu sichern und damit der unheilvolle Fortgang der Geschichte.

Auch Agathe, wunderschön mit ihrem biegsamen Stimmvolumen, ist doch ziemlich zerrissen, denn Angst hat sie, Böses ahnend, und obwohl sie ihrem Liebsten vertraut, schwant ihr doch, dass Unheil droht. Im hoffnungsvoll tröstenden Duett kann ihre keck-kühne Zofe Ännchen, die sich als tröstend zwitscherndes Vögelchen aufschwingt, die ängstliche Braut mit belcantoartiger Fröhlichkeit beruhigen.   Denn wie stets in alen Opern sind ja Zofen übermütig und sehr erfindungsreich, was die Liebesaffären ihrer Herrinnen betrifft, und so hoffen beide für Maxens Schießkünste das Allerbeste. Der ist doch bekanntlich ja ein erfolgreicher junger Jäger, dem jederman nur gerneseine Agathe,  wie gleichermaßen auch das ERbe der Försterei gönnt. Als er zu später Stunde dann endlich auftaucht, beruhigt er Agathe wider besseren Wissens bis die beiden vereint in einem harmonisch-schmerzliches Duett Abschied nehmen.

Das Orchester begleitet alle wankenden und schwankenden Schritte und Sorgen in einer ausgewogenen Dynamik, auch dank der heiter und hellen instrumentalen Partien, die zusätzlich  von Elena Kats-Chernin kompositorisch eingefügt sind, um die wechselnden Gemütslagen entsprechend hervorzuheben. Insgesamt erlebte man an diesem Abend  eine eher diskrete musikalische Ausgestaltung, in der Accompangato-Rezitative zuweilen die oft hölzern wirkenden Sprechdialoge der Sängerinnen und Sänger neben den klangvollen Duetten und Terzetten als sehr positive Erfahrung belebten.

Die Atmosphäre bestimmte vor allem die Choreografie mit vielen schnell wechselnden Bildern, Chorgruppen, die sich lebendig verteilten und neu formierten und kostümierten. Insgesamt gab es sehr viel Aktion auf der zwielichtigen Bühne. Schön unheimlich vor allem ist die große Szene an der Höllenschlucht, wo Max und Kaspar auf der Empore über dem Schlund die verzauberten Kugeln gießen, während unterhalb vor dem grell  gleißenden Licht der Hölle der Teufel und seine Gespielinnen ihren vermeintlichen Sieg beschwören.

Es kommt, wie man weiß, zum ziemlich tragischen Beinahe-Ende des Guten und der Teufelskerl hatte die Seelen schon fast in der Tasche, wäre da nicht überraschend die weiße bassstimmige Sarastro-Version eines Eremiten aufgetaucht, der Gottes Gnade zwar reichlich spät spendet, aber doch noch zu aller Wohl die arme Agathe von ihrem tödlichen Treffer erlöst. Freund Max allerdings muss dennoch aufgrund der sonoren Verkündung des Fürsten und Gutsherrn ein bisschen büßen und ein Jahr lang Wohlverhalten zeigen, bis er seine Braut in Besitz nehmen darf. Romantik hat eben mit Gleichberechtigung noch nichts am Jägerhut!

Viel Applaus, auch von den zahlreich verpflichteten Kids an diesem Abend, die sich dann doch abseits ihrer Handys voll für die Aufführung begeisterten. A.H.

 

 

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