Das zweite Kapitel

von Neil Simon
Komödie am Ku’damm

Regie: Herbert Herrmann, Bühne: Anja Wegener, Kostüm: Nora von Collande
mit Herbert Herrmann und Nora von Collande,
sowie Stefan Schneider und Yuri Beckers

Liebe und Leid wie im richtigen Leben

Man ist von  dem 1927 geborenen amerikanischen Bühnen- und Drehbuchautor Neil Simon geistreiche Dialoge, witzige Aphorismen, Schlagfertigkeit und Tiefgang gewohnt. Aber dann und wann braucht ein kreativer Mensch wohl auch einmal eine kleine Atempause und die reicht dann soeben für ein Appetithäppchen, sozusagen zum Anfüttern.

Also, was jetzt Herbert Herrmann und seine entzückende Partnerin auf der Bühne spielen, das ist eine eigentlich ganz traurige, weil Trauer verarbeitende Schicksalsgeschichte, nämlich die des Autors selbst, der 1973 seine Frau verlor. Im 1980 erschienenen “Das zweite Kapitel” durchleidet der Hollywood-Schriftsteller George eben diese Trauer bis an den Rand der Selbstaufgabe, die ihn in ein seelisches  Tief hinabstürzen lässt. Dank der Hilfe wirklich guter Freunde gelingt es ihm nach und nach, wieder im realen Leben Fuß zu fassen und eines Tages eine neue Frau zu finden. Und die Schauspielerin Jennie weiß, wie man mit hilflos im Leben daherirrenden Männern umzugehen hat, ohne dass sie dabei ihr Selbst verleugnen muss. Es ist eine große tiefe Liebe, die zunächst einmal Verzicht verlangt, und sie ist nicht einmal kitschig, oder nur insoweit als das Leben immer auch mal wieder kitschig sein kann.

Der Autor gibt nur wenig Text vor, um diesen Abschnitt seines Lebens in Szene zu setzen, der eigentlich eine große Hommage an seine zweite Frau sein soll. Es gibt noch zwei Nebenfiguren, so George’s Bruder, ein windiger Agententyp und Jennies flippige Freundin, die es mit der Treue nicht so genau nehmen und ihre Ehehälften nach Herzenslust und Laune betrügen. Ein Gegenpaar, dessen “moderne” Mentalität in Fragen Ehe und Treue ohne mahnenden oder moralischen Zeigefinger von Stefan Schneider und Yuri Beckers launig und lebendig gespielt wird. So spielt das Leben eben auch.

Die beiden Hauptdarsteller in dieser bis auf wenige Ausnahmen eher komödiantisch verstandenen Inszenierung reizen dies Sujet denn auch völlig aus: Herbert Herrmann als Schriftsteller, eher verwirrt als verloren, dem Reiz der neuen Bekanntschaft ebenso heftig verfallen wie zuvor der Flucht in die Einsamkeit, überzeugt wesentlich mehr in seinen ernsten, nachdenklichen, beinahe tragischen Seelenmomenten, und auch Nora von Collande, niemals alternd, immer strahlend schön, jung und chic, gewinnt vor allem in jenen Momenten an Intensität, die ihrer Rolle Charakterstärke abfordern. Aber alles in allem inszeniert Herrmann flott und heiter, mehr mit lässigem oder besser coolem Charme, zuweilen sehr bemüht um gute Laune.

  Für diesen späten Sommer und der noch verbleibenden Zeit, sich an schönen warmen Abenden dem amüsanten Theatererleben hinzugeben, mögen die Ku’damm-Bühnen (mit der unauslöschbaren “Pension Schöller im Haus nebenan) sowie den reizvollen Comedia del’Arte-Aufführungen im Hexenkessel Hoftheater am Monbijou-Platz, sowie dem köstlichen “dinner for spinner” im Renaissance Theater weiterhin beste Unterhaltung bieten, bevor mit der nächsten Saison wieder die unweigerlich zu erwartende kritische Regiepraxis auf vielen Bühnen das Bild in Berlin bestimmt. A.C.

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