Ich hab die Nacht geträumet, B

EIN SCHAUSPIEL MIT MUSIK VON ANDREA BRETH
Berliner Ensemble, 2024, URAUFFÜHRUNG AM 16. MÄRZ 2023 

MIT: Adam Benzwi, Corinna Kirchhoff, Peter Luppa, Martin Rentzsch, Alexander Simon, Johanna Wokalek

CHOR: Irina Fedorova, Catriona Gallo, Birgit Heinecke,

Dennis Jankowiak, Frank Michael Jork, Tomoya Kawamura, Ahmet Özer, Heidrun Schug, Sonia Wagemans,

Günther Weidmann

REGIE, MUSIKALISCHE LEITUNG, BÜHNE, KOSTÜME, SOUNDDESIGN, LICHT, DRAMATURGIE:

Andrea Breth ,Adam Benzwi, Raimund Orfeo Voigt, Jens Kilian ,Christoph Mateka, Alexander Koppelmann, Sibylle Baschung

Aus dem Programmheft, das zum indiviuellen Verstehen empfehlenswert ist.

“Mit ihrer neuen Inszenierung für das Berliner Ensemble hat die Regisseurin Andrea Breth ein collagiertes Schauspiel erfunden, das der widersinnigen Logik von Träumen nachempfunden ist und sich einer rein rationalen Herangehensweise entzieht: Aus über 500 literarischen Texten,Musik und Fundstücken aus dem Internet hat Andrea Breth eine Auswahl getroffen und damit kleine, jeweils für sich stehende  Szenen kreiert, teils musikalisch, teils poetisch, bedrohlich und voller skurriler, absurder Rätsel. Angst und Erinnerungsräume nicht realistischer Art. Etüden über Biedersinn und Unsinn. Zersprengte Fragmente deutscher Geschichte. Eine unerklärliche Kunstpause in einer übermäßig lauten Welt, offen für das Schöne, Zärtliche und Gemeinsame, was möglich wäre – auch für das Lachen und Wünschen. In der Wahrnehmung der Träumenden, so Andrea Breth, zerfließt jegliche Form von Bestimmtheit und wird zu Fragwürdigem, zerfällt in Stücke, Bilder: mehr befremdliche Skizzen als schwere Ölgemälde. „Das hat in diesem Fall sicher mit meiner momentanen Verfassung zu
tun. Ich bin ratlos und sprachlos. Ich kann nur noch Fragmente erzählen. Ich sehe mich nicht in der Lage, ein stringentes Drama zu inszenieren, was ich eigentlich gern tue.
Meine ganze Ratlosigkeit macht sich breit in einer Art von
leiser Zerfetzung.“ (Andrea Breth) •
Sibylle Baschung

Aus literarischen Texten (auch aus dem Japanischen Kabuk-Theater) ist also ein collagiertes Schauspiel mit musikalischen Untermalungen, ein durchaus spannender, abwechslungsreicher, wenn auch nicht immer verständlicher Bilderbogen entstanden: ein Reigen von überwiegend beweglichen, skurrilen, düsteren wie heiteren Szenen. Gebilde wie Träume oderTraumsequenzen: verschlossen, rätselhaft und absurd, und doch blitzen hin und wieder reale Momente durch das nebelgraue Ambiente, graue verschiebbare Stellwände mit vielen Türen geben zeitweiigen Durchblick auf den Pianisten am Ende des Tunnels…

Der Titel enstammt einem Volkslied, und es wird auch gesungen und sich bewegt, vor allem in zweiten Teil des Abends, in dem die Szenen mehr Eigenleben und Sinnhaftigkeit zeigen. Sehnsüchte und Hoffnungen, Emotionen und Auswege über Umwege und Kreuzwege werden der Orientierungslosigkeit entgegengesetzt. Räume, die Fremdartiges, Unerwartetes verbergen, auch Enttäuschungen wie Überraschungen werden mit Liedtexten begleitet und erhellt. Aber wer hört schon Sprachfetzen oder Lieder im Traum? Das sind nun neue Assoziationen und Gedankengänge, in denen die Personen unscharf und fremdartig  erscheinen. Dürfen wir in unserer geheimen Vorstellung alles oder vieles auf den Kopf stellen – wie der Künstler, der Schriftsteller, der Poet, der Maler usw.? Auch wenn wir uns selbst dabei überraschen, schämen oder verwirrt sind? Was taucht aus den Tiefen des archaischen Seins auf, was haben wir aus vielerlei Gründen verdrängt, vergessen?

Nun wird Lächerliches, Absurdes entblößt, Verpackungen werden aufgebrochen. Der Außenseiter sehnt sich in der Wahrtheit des Traumes nach Zugehörtigkeit, nach anderen Situationen, die ihm neue Möglichkeiten der Selbst-Verwirklichung gestatten. Die verzerrte Realität ist nur ein Flickenteppich unserer Sehnsüchte und Wünsche, die wir nicht zu einem festen Konzept verbinden können. Die Suche nach Vollständigkeit unseres Wesens, woher wir kommen und wohin wir gehen, endet kafkaesk in Ahnungen und Verzerrungen, vor sich mit Überraschungen versehenen Räumen, die sich jäh öffnen, und phantasievoll verändertes tatsächlich Erlebtes und erwünschte Vorstellungen preisgeben. Aber auch die uns erschreckenden Assoziationen, die wie Geister aus einer anderen Welt uns das Fürchten   lehren, sind mögliche Bewohner unserer langen Vergangenheit. Frau Breth und ihr großes Team haben hat sich viel Mühe gegeben, dies Kaleidsokop voller Interpetationsmöglichkeiten einfallsreich auszuschütten.Ob wir das alles nur träumen oder ob es als Teil der Evolution zu uns gehört, wer weiß das wirklich. A.C.

 

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