Stolz und Vorurteil (oder so), OL

Komödie von Isobel McArthur nach Jane Austen,
deutsch von Silke Pfeiffer
Oldenburgisches Staatstheater, 2024
Regie: Maja Delinic, Musikalische Leitung Clemens Gutjahr, Dramaturgie Verena Katz, Bühne Ria Papadopuolou, Kostüme Janin Lang, Choreografische Begleitung Pascal Merighi, Licht Arne Waldl u.a.
Darstellerinnen: Esther Berkel ,Maret Engelhardt, Julia Friede, Caroline Nagel, Anna Seeberger; Musik: Lea Baciulis, Clemens Gutjahr, Christin Neddens

 Und wer räumt auf?

lautet der komisch verzweifelte Schlussappell an die Mitstreiterinnen für Liebe und freie Entscheidung in der lustvoll und rasant gespielten musikalischen Komödie, die mit Charme und Pfiff in die Zeitlosigkeit abdriftet. Denn, steckt nicht in jeder Duchesse ein Dienstmädchen und vice versa – auch unter den Schürzen der Dienstmädchen steckt hier ein nobles Kleid! Wer strebte nicht nach Geld und Schönheit und Ansehen und gesellschaftlichem Ansehen. Hat sich das so wesentlich geändert? Sicher, die Zeiten der romantischen Gefühlsduselei und Heuchelei sind glücklicherweise längst vorüber. Aber dennoch: da piekt doch so ein kleiner Stachel in dieser turbulenten Farce.

Erstaunlich, wie rasch die fünf Damen permanent in andere Rollen schlüpfen, die Kostümschneiderei hat chic und praktisch gearbeitet. Flott geht es voran, nachdem das Dienstpersonal seine Bedeutung erst einmal allen klargemacht hat und sich selbst auch, wenn auch mit ein bisschen Wehmut. Aber, stolzes Resümee: sie alle haben ihre Dienstherren und Damen schon unbekleidet, bar aller blendenden Äußerlichkeiten gesehen. Und wer blickte in der damaligen Zeit schon hinter die Fassade!? Ernüchterung also und die diplomatische Ader des Dienstpersonals, nach außen gefügig und innerlich distanziert und eigentlich in der überlegenen Rolle zu sein.

Doch das ist nicht das einzige Thema dieser turbulenten Inszenierung: Hier geht es wirklich nach Jane Austen, nur dass man ihre verdeckte Ironie, den typischen englischen Humor doch noch etwas erweitert hat!: Eine ehrgeizige, ambitionierte, aber auch vom gesellschaftlichen Zwang getriebene leidgeprüfte Mutter von fünf flüggen Mädchen muss alle schnell unter die Haube bringen, damit sie nicht jäh bettelarm und geächtet dastehen, sollte der –durch Abwesenheit glänzende Vater – plötzlich sterben. Ein gute Mutter also sorgt vor- aber die Mädchen haben ihren eigenen Kopf, sie wollen, wie peinlich,  ihren künftigen Mann aus Liebe heiraten und nicht auf Befehl und des Geldes wegen, obwohl, sie genau wissen, wie wichtig dies ist, und ihre Interessen sind schon auch von kostspieliger Natur.

Aber dennoch: der 15jährige Nesthäkchen, um in der damaligen Sprache zu bleiben, wird von Anna Seeberger mit so viel ernsthafter Komik gespielt, das man gespannt ist, wie sich das alles noch weiter entwickelt, zumal sie nicht nur das liebe kleine (und körperlich größte) Mädchen auf die Bühne und vor Mamas gestrenge Augen bringt, sondern auch in absurde Rolle des irgendwo geistig verarmten Mister Collins, ein Pfarrer wie es absurder nicht geht-  der ihre Schwester Elisabeth heiraten soll und will, aber die liebt seit langem einen anderen Mann, nur weiß es noch nicht. Denn ihr Stolz verbietet ihr eine tiefere Sicht in die Seele eines anderen Menschen, der wiederum, von den hässlichen Vorurteilen seines Standes geprägt, mit schnöden Beleidigungen nicht gerade geizt. Aber eine andere Schwester findet sich, die den skurrilen Eigenarten dieses Mannes begeistert folgt. Und tatsächlich liefert hier Julia Friede neben anderen aparten Damen auch noch eine köstlich komische Pfarrersfrau!

Dass Caroline Nagel als Elisabeth mit ihrer verbitterten Zurückhaltung und  gleichzeitigen Sehnsucht nach Liebe den berührenden, tragischen Akzent in dieser Komödie setzt, zeigt sie als dramatische Persönlichkeit die sie bereits in ihrer Rolle des Kreon in „Antigone“  beweist. Ihre Dominanz ist, für Frauen jener Zeit, so groß, dass es wohl kaum Männer jenes Genres geben hat, die Intelligenz, Bildung und Eigensinnigkeit zu schätzen wußten. Bei Mister Darcy kommt die Einsicht zwar spät, aber dann so heftig, dass es ihm –nicht durch Worte, sondern durch Taten gelingt, ihren letzten Stolz brechen kann, indem er für sich als Wohltäter für ihre Familie beweisen kann – und Jane Austen als seelenvolle Schriftstellerin und Menschenkennerin.

Meret Engelhardt, mit umwerfenden Temperament und Bühnenpräsenz  gesegnet, schafft beides: die überbordende superventilierende hypochondrische Mama und den unglücklichen , ebenso vermögenden wie in Liebesdingen sprachlich absolut unvermögenden Mister Darcy zu spielen. Hinreißend geradezu. Der hat der jungen zarten Jane gerade die Liebe zu einem jungen Mann vereitelt, der,  von Julia Friede gespielt, als permanent zu Pferde galoppierende Freier ebenso hübsch wie wundersam über die Bühne hoppelt und sich nebenbei natürlich ganz tüchtig in die schüchterne Jane verliebt. Aber, aber, aber, so schnell geht es nicht, da kommen noch einige Fallstricke dazwischen bis  auch Esther Berkel ihre vielen anderen Rollen noch absolviert hat: als hochmütige gräsige Catherine de Bourgh, die die Pfarrersleute auf die Knie zwingt! Auch der alberne Schwerenöter George Wickham, der zuletzt eine Überraschung für alle bereithält, wird von ihr mit großer Inbrunst parodiert. So geht es voran mit den in Verwandtschaft miteinander verbandelten Personen in einem umfangreichen, nächtefüllenden Lesestoff, der für damalige wohlerzogene junge Damen mit Herzklopfen verschlungen wurde, immerhin auch auf der Bühne noch drei Stunden braucht, um sich zu entschlingen, was in einem quirligen Verkleidungs- und Rollentausch nicht eine Minute langweilig wird.

Auf Männer hat die Regisseurin verzichtet, bis auf den Musiker Clemens Gutjahr, der  – wegen der dominanten Damen? – sich fast zu bescheiden am Ende für den gerechten Applaus seines Trios bedankte, das den Abend mit schönen und emotionalen musikalischen Beiträgen in der Begleitung der Sängerinnen beinahe doch zum Muscal erweiterte. A.C.

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